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Agilität im Unternehmen: Warum Führungskräfte mehr als nur Tools brauchen

Die Probleme und Hemmfaktoren bei Anstrengungen zu mehr Agilität sind nicht neu. Hinter bekannten Überschriften, etwa der Beseitigung von „Schnittstellenproblemen“ oder dem – oft erfolglosen – Streben nach „Lernenden Organisationsformen“ verbergen sich im Grunde die gleichen Argumentationsmuster. 

Dabei ist unter Entscheidern und Entscheiderinnen heute, wie auch in der Vergangenheit, eine Einstellung weit verbreitet: Lieber von anderen (den Führungskräften, Mitarbeitenden oder Beratern) etwas fordern, als selbst aktiv zu werden. Anders gewendet: Führung verlangt den tiefgreifenden Einstellungswandel. Mehr Agilität gibt es nur, wenn sich die Führenden an der Spitze ernsthaft mit der Materie befassen, ein kollegiales Führungsverständnis entwickeln und bei der Umsetzung selbst mit anpacken.

Vorsicht Trugschluss: Agilität ist aus der IT heraus in die Gesamtorganisation einfach skalierbar! … ?

Der Gedanke scheint naheliegend: Was in der Softwareentwicklung als Keimzelle von Agilität möglich ist, sollte auch in anderen Organisationsbereichen funktionieren. Was hindert also die Übertragung von agilen Arbeitsweisen auf die Zusammenarbeit mit anderen Funktionsbereichen (etwa der Produktion, dem Vertrieb etc.) oder mit den Geschäfts- und Produktbereichen?

Das Trügerische an der Idee zur Skalierung ist:

Was in der „agilen Keimzelle IT“ einfach erscheint, muss außerhalb dieses Milieus noch lange nicht funktionieren

Die IT und insbesondere die Softwareentwicklung bilden als betriebswirtschaftliche Funktion ein nahezu homogenes soziales Milieu. Es ist wichtig, dies zu realisieren – Man kennt sich gut, man hat gleiche oder ähnliche Aufgaben, gleiche oder ähnliche Herangehens- und Denkweisen, gleiche oder ähnliche Ausbildung. Kurz: Man tickt ähnlich. Hier fehlen die typisch generischen Blockaden für agiles Handeln. Akzeptanzprobleme gegenüber neuen Methoden und Technologien, Schnittstellenprobleme und hierarchischer Druck spielen die in der IT oft keine oder nur eine untergeordnete Rolle. 

Außerhalb der IT stößt die Forderung nach mehr Agilität dagegen auf andere Bedingungen. Heterogene Denkwelten, unterschiedliche, tief verwurzelte Einstellungen, verbunden mit starken Reibungsflächen zwischen den verschiedenen Herangehensweisen, stellen an die Führenden andere Anforderungen, wenn diese ihre Mitarbeitenden hin zu agileren Arbeitsweisen führen wollen.

Nicht-IT – Bereichen fehlt die „Werbetrommel“ des agilen Manifests

Den Funktionen wie Produktion, Vertrieb, Finanzen und den Business Units bzw. strategische Geschäftseinheiten fehlt der fantastische Marketingeffekt, mit dem das Manifest für Agile Softwareentwicklung (von 2001) die IT vorantreibt. Mit Blick auf das Unternehmen als Ganzes heißt dies: Wer Agilität über alle Unternehmensbereiche hinweg erzeugen will, muss sich darüber im Klaren sein, dass er in der Organisation außerhalb der IT nicht nur völlig andere Voraussetzungen vorfindet, sondern auch den fehlenden Rückenwind einer „Werbemaschinerie Agiles Manifest“ kompensieren muss.

Wie agile Intelligenz das Streben nach Agilität erst ermöglicht

Eigentlich ist es völlig unverständlich, wenn Entscheider und Entscheiderinnen glauben, sie können anspruchsvollere, leistungsfähigere Organisationsformen schaffen, ohne diejenigen dafür zu qualifizieren, die in und mit der neuen Organisationsform agiler arbeiten sollen. 

Metaphorisch gesprochen schickt das Top Management geübte Landstraßenfahrer auf die Rennstrecke; dazu mit allenfalls rudimentärer Vorbereitung. 

Agile Intelligenz hilft Entscheidern, anders vorzugehen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Beispielsweise auf die Fragen: Was heißt es eigentlich genau, starre Strukturen aufzubrechen? Was heißt es für die Führungskräfte, sich durch proaktives Verhalten schnell an ändernde Bedingungen anzupassen? Welche Qualifikation müssen sie zur Gestaltung von und zur Führung in neuen Strukturen mitbringen?

Auf dem Weg zu agileren Settings in der Organisation - Reflect Unternehmensberatung

Abbildung 1: Auf dem Weg zu agileren Settings in der Organisation

Abbildung 1 skizziert den Weg zu agileren Settings: Von einer recht einfach gestrickten, aber eher trägen Organisationsform wie der Funktionalen Organisation hin zu einer komplexen Form, wie man sich die Agile Organisation im Endausbau vorstellen kann.

Agilität ist nicht binär, sie entsteht graduell

Den gedanklichen Ausgangspunkt für die Entwicklung von agilen Strukturen bildet die Organisationsform, die man aus den meisten Unternehmen kennt. Die Arbeit ist in Funktionsbereiche (Vertrieb, Produktion etc.) mit klar definierten Schnittstellen aufgeteilt. In dieser Struktur führt die Führungskraft seine Mitarbeitenden in seinem Verantwortungsbereich. Die Mitarbeitenden richten sich nach den Anweisungen ihrer Führungskraft. 

Eine Stärke dieser Organisationsform ist, Routineaufgaben wie z.B. Serienfertigung und Massenproduktion effizient zu erledigen. Die Schwäche: Für Einzelanfertigungen und Leistungen, die zeitnahes Reagieren auf schnell wechselnde, individuelle Kundenwünsche verlangen, ist diese Organisationsform meist zu träge. 

Warum? Weil Entscheidungsprozesse über die Hierarchien und Abstimmungsprozesse über die Schnittstellen zu lange dauern. 

Um diese Schwäche auszubügeln, hilft es, die Funktionale Organisation mit Matrix-Elementen anzureichern. Vertikal ausgerichtete Funktionen werden um den horizontalen Matrix-Blick mit Fokus auf den Kunden erweitert. Dadurch sollen Kundenwünsche (a) schneller erkannt und (b) schneller umgesetzt werden. 

Die Projektorganisation geht noch einen Schritt weiter: Die Organisation arbeitet mit eigenständig agierenden Teams, die unter einer Projektleitung sich fokussiert und reaktionsschnell an den individuellen, sich ständig ändernden Kundenwünschen ausrichten kann. 

Die Strukturen werden in den beschriebenen Entwicklungsstufen fluider und flexibler, weil Bedeutung und hemmender Einfluss von Hierarchie und Schnittstellengrenzen (umgangssprachlich auch als „Königreiche“, „Fürstentümer“ oder „Silos“ bekannt) abnehmen. In agilen Organisationen treten Hierarchie und Schnittstellenhemmnisse ganz in den Hintergrund: Die Zusammenarbeit wird sowohl „von oben nach unten“, als auch über die Bereichsgrenzen hinweg zunehmend kollegialer und damit schneller. 

Was heißt dies nun genau, wenn man dabei die realen Herausforderungen für die Führenden zu Ende denkt?

Agilere Organisation? … geht nur mit Führungskräften, die befähigt werden, agil zu arbeiten

Die Aufgabe „für mehr Agilität in der Organisation sorgen“ fordert die Führungskräfte gleich auf mehreren Ebenen. Neben dem Engagement für mehr Agilität benötigen sie Lernbereitschaft, z.B. auf hierarchische Autorität zu verzichten und Lernfähigkeit sich mit mehr Menschen häufiger abzustimmen. 

Mit welchen konkreten Anforderungen werden Führungskräfte konfrontiert?

Fragen Sie die KI: Sie spuckt Ihnen Schlüsselkompetenzen der Führungskräfte aus, in Abbildung 2 zum Beispiel, zehn an der Zahl. Es sind typische Anforderungen, wie sie bereits seit Jahrzehnten in Lehrbüchern der Führungskräfte- und Organisationsentwicklung aufgelistet und in Kompetenzmodellen gebrauchstauglich aufbereitet werden. 

Frage an KI: Kollegiale Führung – Was braucht das Agile Setting wirklich?

Frage an KI: Kollegiale Führung – Was braucht das Agile Setting wirklich?

Abbildung 2

Um die Vorstellung zu konkretisieren, was Führungskräften auf dem Weg zu mehr Agilität wirklich abverlangt wird, müssen Sie die Bullet-Points mit Inhalt füllen. Nehmen Sie beispielsweise den Punkt 2: „Transparenz und regelmäßige Kommunikation“. Wie verändert sich diese Anforderung für die Führungskraft, wenn sie bzw. er sich aus ihrem gewohnten und vertrauten funktionalen Gerüst auf den Weg zu agilen Settings machen soll? 

Der Einfachheit halber gehen Sie von einer „durchschnittlichen“ Führungskraft aus, deren Kommunikationskompetenz irgendwo im Bereich mittelprächtig liegt (Das kann z.B. heißen: „Antwortet manchmal zeitnah, manchmal auch gar nicht“; „hört gut zu, aber nicht immer“; „gibt Feedback, aber nur wenn er bzw. sie dreimal daran erinnert wird“; „spricht Konflikte an, leider nur halbherzig und zu zögerlich“ usw.)

Die Funktionale Organisation kann mit diesem Durchschnitts-Führungs-Typus durchaus leben. Die Führungskraft und ihre Mitarbeitenden sind gut eingespielt. Wenn es in der Kommunikation hakt, sieht man sich das nach oder man lebt irgendwie mit den Versäumnissen. 

In der agileren Matrixorganisation wird’s schon schwieriger: Die Führungskraft aus der Produktion muss sich mit ihren Matrix-Kolleg*innen aus Vertrieb und IT häufiger abstimmen; sie kommuniziert auch direkt mit Mitarbeitenden aus anderen Abteilungen; dazu muss sie in unterschiedlichen Milieus den jeweils adäquaten „Ton treffen“. 

Wenn sie Feedback schuldig bleibt oder Konflikte zu spät anspricht, bekommt jemand in einer anderen Ecke des Unternehmens ein Problem. 

In der Projektorganisation steigen die Anforderungen weiter: Zusätzlich zu ihren Matrix-Kollegen muss die Führungskraft auch mit eigenverantwortlich agierenden Projektleiter*innen aus verschiedenen Bereichen kommunizieren. Sie ist ständig gefordert, „auf Augenhöhe zu kommunizieren“ und dabei die unterschiedlichen Milieusprachen zu beherrschen, wenn sie es mit crossfunktional zusammengesetzten Teams zu tun hat.

Nicht verzagen – Wenn Sie Agilität in Ihrer Organisation ernsthaft erzeugen wollen …

Es liegt auf der Hand, dass die kommunikativen Anforderungen im Setting der agilen Organisation weiterwachsen. Metaphorisch gesprochen herrschen in dieser Organisationsform echte Rennstreckenbedingungen. Diese verlangen den Fahrerinnen und Fahrern ein meisterhaftes Können ab, das sich von der Fähigkeit, Landstraße zu fahren, deutlich unterscheidet. Glasklare, verzögerungsfreie und unmissverständliche Kommunikation; Gesprächsführung zeitnah und effizient; Teammeetings kurz und effektiv, auch in Konfliktsituationen kommunikativ überzeugen … um nur einige zu pointieren. 

Wie kollegiale Führung die Umsetzung von Agilität voranbringt

Bekanntlich eilt Führungskräften nicht der Ruf voraus, Meister in allen kommunikativen Lebenslagen zu sein. Führungskräften ist es auch nicht in die Wiege gelegt, in den anderen Anforderungen des obigen Katalogs in Abbildung 2 zu glänzen: sei es in der Fähigkeit, visionär zu führen oder für kulturelle Anpassung zu sorgen. Oder sei es in den anderen, von Kollegin KI angemahnten Punkten zu überzeugen. 

Wie lautet also Ihre Schlussfolgerung, wenn Sie selbstkritisch auf die Führungsriege in Ihrem Unternehmen schauen? 

Die deutlich steigenden Anforderungen an die Führungskräfte können diese nur in kollegialer Mitwirkung der Verantwortlichen und mit deren aktiver Unterstützung, z.B. in Form von guter Vorbereitung, Fördermaßnahmen, Coaching usw. bewältigen.

Dies zu verstehen ist wichtig, um eine Überforderung von Führungskräften, pseudo-agilen Versuchsballons und agilen Insellösungen entgegenzuwirken.

Die wichtigsten Fragen zusammengefasst:

  • Welche Unterstützung braucht eine „durchschnittliche“ Führungskraft, um agilere Settings a) zu verstehen und b) sich darin zurecht zu finden? 
  • Wie gut sind die Führungskräfte unserer Organisation darauf vorbereitet, den anspruchsvolleren Führungsaufgaben agiler Settings gerecht zu werden? 
  • Was können wir unseren Führungskräften mitgeben, wenn sie den Weg zu agileren Arbeitsweisen für sich selbst und ihre Mitarbeitenden erfolgreich gehen sollen? 

Fazit

Wer für mehr Beweglichkeit in der Organisation sorgen will, muss seine Agile Intelligenz nutzen und weiterentwickeln. Entscheidungsverantwortliche, die Agilität in der Softwareentwicklung als Blaupause ansehen, machen es sich definitiv zu einfach. Mehr Agilität einzufordern, ist ebenso wenig zielführend. 

Agile Intelligenz fängt beim Interesse für Strukturen an. Dadurch entsteht das notwendige Verständnis über deren Funktionsweisen und sorgt für Klarheit über die Anforderungen an die Führungskräfte. 

Auf der Grundlage eines kollegialen Führungsverständnisses schaffen Entscheider und Entscheiderinnen die Bedingungen, damit Führungskräfte echte Chancen haben, ihre Teams in agilere Settings zu führen. 

Arbeiten Sie schon agil? Bei REFLECT stehen wir Ihnen zur Seite, um einen genauen Blick auf Ihre Situation zu werfen, möglichen Handlungsbedarf an den richtigen Stellen zu erkennen und differenzierte Schlussfolgerungen zu ziehen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse erarbeiten wir praktikable und umsetzbare Lösungsansätze. Wir unterstützen Sie auf diesem Weg! 

Literaturtipps

Fraunhofer IESE, Blog des Fraunhofer-Institut für experimentelle Softwareentwicklung, https://www.bitkom.org/sites/main/files/2020-12/201124_lf_agilitat-in-organisationen.pdf

Laloux, Frederic, Reinventing Organisations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, München 2015

Oestereich, B. und C. Schröder (2020). Agile Organisationsentwicklung: Handbuch zum Aufbau anpassungsfähiger Organisationen. München

Scheller, Torsten (2017): Auf dem Weg zur agilen Organisation: Wie Sie Ihr Unternehmen dynamischer, flexibler und leistungsfähiger gestalten. München

Senge, Peter (2017): Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der Lernenden Organisation, 11. Auflage, Stuttgart 2017

Bildquelle

Grimstad, Håkon, https://unsplash.com/de/fotos/blauer-und-schwarzer-schmetterling-auf-braunem-stock-hteXWSF9jA4 (2020)


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