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Von der Führungskraft zur kollektiven Führungsarbeit

Delegation Teil 2: Wie Sie Verantwortung strukturiert und pragmatisch übertragen können

Sinnvoll delegieren ist einer der wichtigsten Hebel, um sich als Führungskraft zu entlasten, nicht zum Flaschenhals des eigenen Verantwortungsbereiches zu werden, Entscheidungen und Handlungen zu beschleunigen, Verantwortungsübernahme und Unternehmertum zu stärken und zu dezentralisieren. Klingt super! Das Problem: Delegieren ist gar nicht so einfach.

In unserer letzten Notiz haben wir daher die Grundlage gelegt und Ihnen einige Hinweise gegeben, was Sie direkt in Ihrem Umfeld umsetzen können. Mit dieser Notiz wollen wir nun darauf aufbauen und Ihnen weitere Denk- und Handlungswerkzeuge an die Hand geben, die vor allem den strukturellen Rahmen und eine ganzheitlichere Transformation im Blick haben.

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Goodbye Bottleneck – von der Führungskraft zur Führungsarbeit

Es ist die bittere Wahrheit: Nur allzu oft scheitert die Beschleunigung von Unternehmen trotz agiler, crossfunktionaler Teams, flacher Hierarchien und effizienter Prozesse an den eigenen Führungskräften.  

Meist nicht bewusst oder beabsichtigt, sondern da Tagesgeschäft, Entscheidungsprozesse, Termine, Reviews, Informationsfluss und vieles mehr auf sie persönlich ausgerichtet sind. So werden Führungskräfte im System „Organisation“ zu Knotenpunkten. Und, wie der Name schon sagt, werden sie dabei eben häufig zu echten Knoten.

Nun könnte man – wie Alexander der Große – diesen Gordischen Knoten einfach durchschlagen. Aber: Die Seilenden würden herunterfallen und nicht wieder zusammenfinden. Ohne die Knotenpunkte würde Chaos entstehen.

Deshalb erscheint es sinnvoller, die Knoten langsam zu entwirren, einzelne Seile gar nicht erst mitzuverknoten, und bereits verknotete Seile zu entknoten und an einer anderen Stelle zu verbinden. Statt weniger großer Knoten entstünden so viele kleine, gut lösbare Knoten.

Raus aus der Metapher: Anstatt einer Rolle, die alle Management- und Führungsarbeit leistet, leisten viele Rollen mehr Management- und Führungsarbeit als zuvor und beschleunigen so die Gesamtorganisation.

Und dafür braucht es einen strukturierten und pragmatischen Delegationsprozess.

Die Kontextbrücke: Ein dialogisches Vorgehen zur Verantwortungsübergabe und -übernahme

In ihrem Buch „Agile Organisationsentwicklung“ beschreiben Bernd Oesterreich und Claudia Schröder ein Instrument, welches den Übergang von der Führungskraft zur verteilten Führungsarbeit erleichtern soll und welches sichtbar macht, in wessen Verantwortung sich ein bestimmter Verantwortungsbereich derzeit befindet. Das Vorgehen besteht aus 6 Schritten.

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Wir werden es an einem Beispiel durchspielen: Nehmen wir an, Abteilungsleiterin Anna möchte die Verantwortung für die Einstellung neuer Mitarbeiter*innen an ihre zwei Kollegen Tine und Tom übergeben.

  1. DürfenIn einem ersten Schritt definiert Anna, welchen Verantwortungsbereich sie genau übergeben möchte und was alles dazugehört. Sie klärt also die Frage: Was dürfen Tine und Tom in Zukunft machen und konkret entscheiden, was sie bisher nicht durften? Hierzu gehört auch festzulegen, welche Erwartungen oder bestimmte Einschränkungen und Auflagen dabei gelten sollen. Bisher durften Tine und Tom nur am Auswahlverfahren teilnehmen, hatten aber keinerlei Entscheidungsbefugnisse.
  2. WollenAls nächstes sollte geklärt werden: Wollen Tine und Tom diese Verantwortung überhaupt übernehmen? Und wenn ja, welche Bedingungen müssen dazu erfüllt sein? Eventuell benötigen die beiden bestimmte Kompetenzen, die sie sich aneignen müssen oder bestimmte Freigaben, die einzuholen sind.
  3. KennenSind Anna, Tine und Tom sich einig, bereiten die drei im nächsten Schritt die Verantwortungsübernahme vor. Das heißt, notwendige Voraussetzungen zu schaffen (z.B. Prokura erstellen, Arbeitsmittel übergeben, Administratorenrechte übertragen etc.), damit Tine und Tom auch formal und praktisch diesen Verantwortungsbereich übernehmen können.
  4. KönnenNun wird’s spannend, denn: Es wird getestet. Tine und Tom tragen nun die Verantwortung und probieren sich aus. Am besten schrittweise und an einem überschaubaren Fall einer Mitarbeitereinstellung (Praktikant*in, Werksstudent*in). Am besten auch begleitet – entweder durch die Führungskraft als „Schatten“ oder durch eine Lotsin oder Coach. Hier wird man schnell erkennen, ob die Verantwortungsübernahme funktioniert und welche Kompetenzen weiter ausgebaut werden müssen.
  5. MeisternIm nächsten Schritt wird sukzessive das Vertrauen von Anna in Tine und Tom gestärkt, indem die beiden zunehmend eigenständig arbeiten, Tine und Tom Einstellungen alleine lösen und in schwierigeren Situationen Anna als Beraterin hinzuziehen. Nach und nach meistern Tine und Tom den neu hinzu gekommenen Verantwortungsbereich. Anna kann sich jetzt vollständig daraus zurückziehen.
  6. ÜbersteigenTine und Tom beherrschen die Anforderungen des Verantwortungsbereichs inzwischen aus dem Effeff. Als Prozesserfahrene können sie nun verstärktes Augenmerk auf die stetige Optimierung oder vielleicht auch radikale Änderung des Prozesses legen und so ihren Teil dazu beitragen, die Organisation effizienter, schneller, robuster und lernfähiger zu machen.Und Anna? Anna hat mehr Zeit gewonnen für ihre Führungsarbeit und andere Aufgaben. Sie fühlt sich wirksamer und freut sich, Tine und Tom als Mitunternehmer*in gewonnen zu haben.

So wechselt die Verantwortung von einer Führungskraft zur gemeinsamen Führungsarbeit.

Verantwortungsbereiche sichtbar machen – die erweiterte Delegationsmatrix

In unserer letzten Notiz hatten wir Ihnen bereits eine einfache Delegationsmatrix zur Selbstführung vorgestellt. Hier möchten wir Ihnen nun eine Delegationsmatrix zur Team- und Unternehmensführung vorstellen. Diese dient in Teams und Organisationen dazu, Überblick über Verantwortungsbereiche zu erhalten und gleichzeitig transparent zu machen, wer wann worüber und wie entscheidet.

Sie funktioniert ähnlich wie eine RACI-Matrix, ist aber relativ einfach und übersichtlich gehalten, da nicht nach verschiedenen Verantwortungs- oder Beteiligungsgraden unterschieden wird.

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Die Kontextbrücke lässt sich darin integrieren: Wird ein Verantwortungsbereich übertragen, kann die entsprechende Zelle so markiert werden, dass klar wird, in welcher der sechs oben beschriebenen Phasen sich die Verantwortungsübertragung gerade befindet. Dies macht es allen Beteiligten leicht, schnell zu überblicken, wer gerade welche Verantwortungsbereiche übernimmt und wie sicher die- oder derjenige sich damit aktuell fühlt.

Auf diese Weise können alle Beteiligten mitwirken, bestehende Führungskräfte aus den Flaschenhalspositionen zu nehmen und gleichzeitig Kolleg*innen in ihrer Verantwortungsübernahme zu stärken.

Fazit

Im Kern geht es bei dem vorgestellten Ansatz darum, Führungsaufgaben auf diverse Rollen zu verteilen. Denn Führungsarbeit wird es nach wie vor geben, es ist nur die Frage, wie diese in der Organisation verteilt wird.

Wie im Beispiel beschrieben und in vielen Organisationen heute noch der Normalzustand, liegen oft alle Führungsaufgaben bei einer Person. Tut sie sich schwer mit der Verantwortungsübergabe, wird sie unweigerlich zum Flaschenhals ihrer Organisation bzw. ihres Verantwortungsbereiches.

Insofern hat Delegieren einerseits einen eher technisch-sozialen Aspekt, vor allen Dingen aber ist es eine Haltungsfrage, die jede Führungskraft für sich klären muss: „Bin ich wirklich bereit, Verantwortung an andere zu übertragen und loszulassen? Oder glaube ich, dass ohne mich der Laden nicht funktionieren würde.“  

Die Ausrede „Ich muss das alles entscheiden“ (die übrigens auf selbstzerstörerische Art und Weise zur eigenen Überlastung sowie zur Verlangsamung und Kleinhaltung aller anderen führt) ist out.

Verantwortung zu übertragen ist ein strukturierter und vor allem pragmatischer Prozess, den jede*r von Ihnen morgen beginnen kann. Dabei müssen Sie nichts überstürzen. Suchen Sie sich einen ersten Verantwortungsbereich aus, den Sie gerne übergeben möchten (lesen Sie dazu auch unsere letzte Notiz) und legen Sie los.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten nächstes Jahr nicht mehr alles selbst entscheiden. Wäre das nicht wunderbar?

Quellen

Oesterreich, B; Schröder, C. (2020). Agile Organisationsentwicklung. Verlag Franz Vahlen GmbH

Photo by Mika Baumeister on Unsplash

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