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Virtuell Führen – die (neue) Kernkompetenz guter Führung

Erst die Digitalisierung, dann der Schock der Pandemie: Das Konzept der virtuellen Führung hat sich in den Aufmerksamkeitsfokus von Führungskräften und Managementdenkern katapultiert. Führungskräfte und Mitarbeiter*innen erleben nahezu täglich, was es heißt, „auf Distanz“ zu führen bzw. geführt zu werden. Verantwortliche tun gut daran, sich nachhaltig fit zu machen, denn virtuell zu führen ist dabei, sich als Kernkompetenz guter Führung zu etablieren.

Wie ändern sich die Anforderungen an virtuell Führende?

Zusätzlich zu den bekannten und ohnehin hohen Anforderungen der klassischen Führung müssen sich virtuelle Führungskräfte „on top“ mit folgenden Themen aktiv auseinandersetzen:

Virtuelle Führung

Die Sorge um die eigene Autorität .

Führungskräfte verspüren Unsicherheiten, wenn sie vermehrt virtuell gestaltete Führungsarbeit leisten sollen. Ist es im Face-to-face-Kontakt einfach, seinen Mitarbeitenden schnell über die Schultern zu schauen, so erlebt die Führungskraft im virtuellen Raum möglicherweise einen Kontrollverlust. Es fehlt der persönliche Kontakt und virtuell erfolgen nur wenige Interaktionen spontan. Der Arbeitseinsatz, Status der Aufgabenerfüllung und die Zufriedenheit der einzelnen Mitarbeitenden ist nicht mehr so leicht verfolg- und beobachtbar. 

Die Verantwortung für das Team macht einen erhöhten Einsatz für die Mitarbeitenden unabdingbar.

Führungskräfte tragen die Verantwortung für jedes Teammitglied. Bei virtuellen Teams fällt es vielen Mitarbeitern schwer, sich daran zu gewöhnen, seine Teamkollegen*innen unregelmäßig oder über längere Zeit überhaupt nicht zu begegnen. Manche fühlen sich ins Outback versetzt. Dadurch wird die Motivation des Einzelnen stark beeinflusst. Teammitglieder*innen möchten sich dazugehörig fühlen, aber die soziale Isolation nimmt durch das virtuelle Arbeiten zu.  Die geringere Teamidentifikation führt zudem dazu, dass die Kultur des Miteinanders und der Zusammenarbeit im Team leidet. Jede*r kümmert sich um seine Aufgaben und reduziert die Kommunikation mit anderen.  

Die Qualität der Kommunikation ist in Gefahr 

Mit der Virtualisierung geht die Dezentralisierung der Aufgabenerfüllung einher. Diese kann dafür sorgen, dass es vermehrt zu Missverständnissen im Team kommt. Missverständnisse entstehen entweder durch unzureichende bzw. fehlende Kommunikation, fehlende klare Anweisungen der Führungskraft oder auch durch Probleme mit der Informationstechnologie.   Die Führungskraft steht also vor der Herausforderung, auch im dezentralisierten Rahmen die eigene Sichtbarkeit, Autorität und ihr Führungserscheinungsbild zu wahren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass das Team weiterhin im Austausch bleibt, zusammenhält und seine Ziele erreicht. 

Wie gestalten Sie Ihre virtuelle Führung erfolgreich?  

Wichtig ist: Führen Sie auf der Basis einer kohärenten Gesamtstrategie, denn einzelne Adhoc-Maßnahmen bringen Sie und Ihr Team nicht wirklich weiter! Sie können Ihr Führungshandeln auf drei Standbeine gründen: 

1. Ihre persönliche Strategie: Lernen Sie die Führungsgrundlagen neu! 

Es ist eine Binsenweisheit, die in der Führung zu oft ignoriert wird: Wer die Grundlagen nicht beherrscht, wird mit den besonderen Anforderungen erst recht nicht zurechtkommen. 

Entwickeln Sie Ihre kommunikativen Kompetenzen weiter! 

Die wichtigste Anforderung an die virtuelle Führungskraft ist die Beziehungsarbeit zu seinen Mitarbeitenden und die damit zu leistende Kommunikation. Da der persönliche Kontakt und die informellen Interaktionen im Büro nicht mehr stattfinden können, bedarf es guter kommunikativer Basiskompetenzen.  Zuhören ist eines der wirkungsvollsten Werkzeuge einer Führungskraft und gleichzeitig die Disziplin, in denen Führungskräfte beachtliche Defizite nachgesagt werden. Im virtuellen Raum müssen wir auf vertraute Orientierungsgeber wie Körpersprache oder visuelle und auditive Nebenbotschaften verzichten.  Körpersprache wirkt oft aber auch ablenkend.  Wir müssen häufiger fragen und die Fragen anders stellen, weil unser Gegenüber weniger spontan agiert und am Bildschirm, Telefon oder in der Mail verbal und nonverbal weniger von sich preisgibt.  Eine transparente Kommunikation mit regelmäßigen Feedbacks, Anrufen außerhalb von geschäftlichen Themen, ansprechend gestaltete Teambesprechungen und ein persönliches Interesse für das Wohlbefinden der Kolleginnen und Kollegen, bilden eine sinnvolle Grundlage für Wertschätzung, Beachtung und Verständnis.  

Passen Sie noch bewusster Ihren Führungsstil an! 

Im virtuellen Setting kommt es stärker darauf an, dass die Führungskraft wie ein Primus Inter Pares führt und handelt. Das bedeutet, dass alle Teammitglieder*innen gleichberechtigt angesehen werden und die Führungskraft eine höhere persönliche Verbindung zu ihrem Team aufbaut.  

Justieren Sie Ihr Führungsmanagement neu! 

Mitarbeitende müssen aktiv in die Arbeit im virtuellen Raum eingeführt und fortlaufend begleitet werden. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ wirkt fatal und kann bei Mitarbeiter*innen Unsicherheit und Ängste hervorrufen. Der Weg, bei Problemen einfach einmal „über den Flur laufen und nachfragen“, ist dem Mitarbeiter versperrt. Von den Führungskräften wird insbesondere erwartet, dass sie mittels eines ausgezeichnetes Aufgabenmanagements führen, indem sie Aufgaben planen, verwalten, überprüfen, priorisieren und den Mitarbeiternden verständlich machen.  Diese Herausforderung kennt die Führungskraft aus der Präsenzwelt. Macht er bzw. sie in der virtuellen Führung dabei Fehler, sind die negativen Auswirkungen auf Motivation, Identifikation mit der Aufgabe und Bindung an das Unternehmen ungleich gravierender, weil sie zum einen noch weniger sichtbar werden, zum anderen ein regulierendes kollegiales Miteinander als Korrektiv fehlen. 

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser! 

Führungskräfte müssen sich von ihrem Faible, zu kontrollieren, verabschieden. Die schwierigste Anforderung an Verantwortliche ist, den Weg von einer Führungskultur, die auf Kontrolle basiert, hin zu einem vertrauens- und wertebasierten Führen überzugehen.  Die Führungskraft muss die Fähigkeit entwickeln, die gedankliche Anwesenheit anderer zu erzeugen und deren Aufmerksamkeit zu gewinnen anstatt diese nur einzufordern.  

Kurz gefasst: Dem Mitarbeiter empathisch zu begegnen wird  zum Schlüsselfaktor des virtuell Führenden, der in der Lage ist, auch im nüchternen Austausch über Distanz und digitalen Medien ein „Wir-Gefühl“ zu entwickeln. 

Virtuelle Führung2-1

2. Ihre Interaktionsstrategie: Gestalten Sie die Beziehungsebene bewusst!

Als wichtigster Effekt ist festzuhalten, dass bei virtueller Arbeit der soziale Kontakt stark reduziert ist. Dies erfordert von Ihnen als Führungskraft ein besonderes Augenmerk auf den Einzelnen und auf die Mitglieder*innen der Gruppe.  Im Kontakt mit Einzelnen sind wegfallende informelle Begegnungen (z.B. das zufällige Flurgespräch, der gemeinsame Gang in die Kantine, das Vieraugengespräch in der Kaffeepause) zu kompensieren. Bei Gruppen fällt der Austausch in informellen Begegnungen, z.B. am Rande von Besprechungen, weg. Im virtuellen Raum sollten Sie deshalb: ein gemeinsames Spielfeld kreieren. Dazu gehört das „Treffen vor dem Meeting“, bei dem sich die Teilnehmer*innen z.B. 10 Minuten vor Beginn einloggen und sich informell austauschen. Eine „Warm-Up-Phase“, in denen zwei bis drei Teilnehmer*innen für eine bestimmte Zeit zusammengeschlossen werden und sich kurz über persönliche Dinge, z.B. die abgelaufene Woche unterhalten.  Besprechungen persönlicher, teilnehmerorientierter gestalten. Das fängt bei der einfachen Frage in die Runde „Wie geht es Dir/ Euch?“ an, geht weiter bei der Mischung aus Kleingruppenarbeit und Austausch im Plenum und kann zur abschließenden Feedbackrunde oder Frage nach den persönlichen Erkenntnissen führen.  

Was sind hybride Umgebungen? Darunter werden Umgebungen verstanden, bei denen ein Teil der Gruppe in Präsenz, andere Gruppenmitglieder virtuell beteiligt sind.   Bei hybriden Besprechungen ist darauf zu achten, dass die virtuell zugeschalteten Teilnehmer die gleiche Aufmerksamkeit genießen und gleichberechtigt am Arbeitsprozess teilnehmen. Andernfalls besteht die Gefahr,  dass sich die „virtuellen“ Teilnehmenden ignoriert oder abgehängt fühlen und sich aus dem Arbeitsprozess ausklinken. Besonders ist darauf zu achten, dass virtuell zugeschaltete Teilnehmer*innen genauso aktiv eingebunden werden, wie präsente Personen. 

Kurz gefasst: Als Verantwortliche*r führen Sie virtuell dann effektiv, wenn Sie reichlich Sensibilität, Beharrlichkeit und sicher auch Mut zu Neuem im Zusammenspiel mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aufbringen. 

3. Ihre Digitalstrategie: Sorgen Sie dafür, dass die technologischen UND didaktischen Grundlagen stimmen. 

Die elementaren Funktionalitäten bei der Nutzung von Kommunikationsplattformen und Medien sollten den Führungskräften hinreichend geläufig und vertraut sein. Sieht auf den ersten Blick selbstverständlich aus. Auf den zweiten Blick fällt allerdings auf: Manchen Führungskräften fehlt es an Übung, das ganze Potential von digitalen Medien und Plattformen zu nutzen.  Anderen fehlt es an Geduld, sich intensiver mit den vielfältigen Möglichkeiten, die Kommunikationsplattformen bieten, auseinanderzusetzen.  Und schließlich gibt es jene, denen es an Einsicht fehlt, sich mit den soziotechnischen Möglichkeiten wie Kleingruppenbildung, sinnvoller Aufteilung in Subteamarbeit oder Visualisierung im digitalen Raum zu beschäftigen.  Diese blinden Flecken finden wir übrigens nicht nur bei älteren Generationen wie den Babyboomern, sondern durchaus auch bei den sogenannten Digital Natives. Die Vorbildfunktion verlangt von der Führungskraft auch solide technische Beweglichkeit, z.B. ein didaktisches Gestaltungsvermögen bei der virtuellen Zusammenarbeit unter Einsatz digitaler Hilfsmittel.  Aus der Vergangenheit kennen wir ausufernde Präsenz-Meetings mit Monologen in erhöhter Lautstärke. Es wird nicht besser, wenn gleiches Verhalten einfach in den virtuellen Raum verlegt wird. 

Kurz gefasst: Je besser es Ihnen gelingt, Ihre digitale Affinität mit moderierendem Geschick sinnvoll zu verknüpfen, umso wirkungsvoller erreichen Sie Ihre Teams und Mitarbeiter*innen im virtuellen Raum. 

Fazit

Virtuelle Führung entwickelt sich zum wesentlichen Baustein der Führung insgesamt. Diese Art der Führung ist von Führungskräften weiter zu professionalisieren, auch wenn der Hype um die Auswirkungen von Pandemie und Digitalisierung abflauen mag. Die „Sieben goldenen Regeln“ virtueller Führung bringt die Führungskraft nicht wirklich weiter. Die Führungskraft muss sich mit den oben beschriebenen Rollenanforderungen aktiv auseinander setzen, ihr*sein Führungshandeln darauf gründen und über kohärente Strategien umsetzen. Dann wird Führung auch im virtuellen Raum spürbar. 

Literaturtipps: 

Boos, M., Hardwig, T., & Riethmüller, M. (2017): Führung und Zusammenarbeit in verteilten Teams. In: H. Schuler, J. Felfe, R. Hossiep, & M. Kleinmann, Praxis der Personalpsychologie – Human Resource Management kompakt, Band 35. Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH & Co.KG 

Caulat, Ghislaine (2012): Virtual Leadership. Faringdon 

Lindner, Dominic (2020): Virtuelle Teams und Homeoffice. Wiesbaden: Springer Gabler 

Müller, Sandra (2018). Virtuelle Führung. Wiesbaden: Springer Gabler 

Pribilla, Peter (2000): Führung in virtuellen Unternehmen. In H. Albach, D. Specht, & H. Wildemann, Virtuelle Unternehmen (S. 1-12). Wiesbaden: Springer Gabler 

Rauch, Jürgen (2020), Führung und Digitalisierung: Herausforderungen für Führungskräfte in der digitalen Arbeitswelt, Lübeck 

Wagner, David Jonathan (2018.): Digital Leadership, im Springer Gabler, Wiesbaden 

Quellen:

Photo by Jessica Lewis on Unsplash

Photo by Redmind Studio on Unsplash

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