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Überleben in der VUCA-Welt – Moderne Führung

Die Welt wird zunehmend volatiler, unsicherer, komplexer und vieldeutiger – so zumindest die allgemeine Wahrnehmung. Auf unserer Kundenveranstaltung am 27.09.17 sind wir dieser These nachgegangen und haben – mit spannenden Referenten aus unterschiedlichen Perspektiven – die Arbeitswelt von heute beleuchtet.

Wie geht der Branchenführer dm vor, um weiterhin erfolgreich am Markt agieren zu können? Wie war es für den Softwareanbieter netcentric möglich, innerhalb von 4 Jahren von 4 auf 320 Mitarbeiter zu wachsen? Wie gelingt es der ec4u expert consulting immer wieder, sich neu zu erfinden? Und welche Lösungsansätze bietet das Konzept der Gesunden Organisation, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein?

Souverän moderiert wurde die gesamte Veranstaltung durch Tina Dieterich und Prof. Frank Widmayer.

In seinem Eröffnungsbeitrag ging Ingo Kallenbach auf die Herausforderungen, denen Organisationen heute gegenüberstehen und die gerne mit dem Akronym VUCA verbunden werden, ein. Schon bei den ersten Fragen an die Teilnehmer/innen in Bezug auf den Titel der Veranstaltung „Überleben in der VUCA-Welt“ wurde deutlich, dass die meisten der Anwesenden zwar nicht den Eindruck hatten, dass es in ihrer Organisation um das blanke Überleben gehe, sie aber sehr wohl durch die Veränderungen in der Arbeitswelt aktuell in einem Transformationsprozess seien. Die Gründe für die Notwendigkeit eines solchen Wandels sind dabei vielfältig: die Reorganisation eines Bereiches, die Benennung eines neuen CEO’s, die Implementierung eines besseren IT-Systems, eine Akquisition oder der notwendige kulturelle Wandel. Ingo Kallenbach ging mit Beispielen der Frage nach, was sich hinter den einzelnen Buchstaben VUCA steht und machte deutlich, weshalb diese ganz gut die aktuelle Dynamik in den Märkten beschreiben.

Die damit einhergehende Transformation zwischen industriellem und VUCA-Kontext fasste er in einer Folie zusammen, s. Abbildung 1, in welcher anhand verschiedener Dimensionen der notwendige Wandel deutlich wurde.

VUCA-Kontext.png

Abbildung 1: Transformation vom industriellen zum VUCA-Kontext

Mit dem Konzept der Gesunden Organisation faltete Ingo Kallenbach in der Folge ein Modell aus, welches Lösungsansätze auf diese aktuellen Herausforderungen darstellt und Organisationen für die Zukunft wappnen kann.

Hier zusammenfassend seine Kernthesen:- Eine Organisation ist ein lebendesSystem. Die Gesundheit dieses Systems ist Mittel und Zweck
– Eine Gesunde Organisation verfolgt einen tieferliegenden Sinn und basiert auf gesundenMenschen.
– Jeder Mensch ist bestrebt, sich selbst zu verwirklichen und verfügt über entsprechende Potenziale. Diese Potenziale zu entfalten, ist Führungsaufgabe.
– Führung bedeutet Unterstützung zur Selbstführung.
– Kontextgestaltung und Dienstleistung sind Führungsfunktionen, die Unterstützung zur Selbstführung ermöglichen.
– Selbstführung ist ein Mittel zur Potenzialentfaltung.
– Potenzialentfaltung mündet in außergewöhnlicherLeistung.
– Eine GesundeOrganisation ist langfristig leistungsfähiger und nachhaltiger als die ihrer Mitbewerber.

Auch bei dieser Veranstaltung konnte der CEO von dm – Erich Harsch – die Anwesenden in seinen Bann ziehen. In seinem lebhaften Vortrag zeichnete er die Anfänge von dm bis zur heutigen Situation auf und legte dar, welchen Entwicklungsweg dm hinter sich hat.

Eine der wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf diese Entwicklung war sicherlich die Frage, wo bei dm im Hinblick auf die Organisation OBEN und wo UNTEN ist? Ist oben dort, wo der Chef sitzt oder dort, wo die Kunden und die Märkte sind? Deshalb hat dm die Pyramide auf den Kopf gestellt Alle unterhalb der obersten Ebene, wo die Kunden und Märkte sind, sind allein dafür da, diese zu unterstützen und dem Kunden zu dienen. Im Zuge dessen entstand nicht nur eine neue Haltung, sondern auch die Abschaffung des Begriffes des „Vorgesetzten“. Stattdessen spricht man bei dm von Verantwortlichen, denn wer möchte schon jemanden haben, der einem vorgesetzt wird. Erich Harsch führte dafür ein schönes Beispiel ein: Wenn man einen Vorgesetzten hat, der alle Entscheidungen trifft, stellt sich die Frage, wen der Mitarbeiter bei einem Problem des Kunden anschaut: den Kunden oder seinen Vorgesetzten?

Des Weiteren ging er darauf ein, dass es keine Zielvorgaben bei dm gibt genauso wenig wie Budgets oder variable Gehaltsanteile. Aus seiner Sicht kann Motivation nur von innen herauskommen und nicht von außen gegeben werden. Die Aufgabe von Führung besteht letztlich darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der Mitarbeiter mit Begeisterung und Freude arbeiten kann. Es gilt, eine Kultur und einen Rahmen zu entwickeln, den Mitarbeitende eigenverantwortlichsituativ und individuell gestalten können. Menschen, die näher dran sind, müssen selbständig und angemessen in der jeweiligen Situation entscheiden können, wie sie am besten handeln können. Dazu brauchen sie Selbstvertrauen einerseits, aber auch das Zutrauen der Kollegen und Kolleginnen im Umfeld andererseits, dies genauso umsetzen zu können. Neben dem Gestaltungsraum ist eben auch Freiheit notwendig, selbstbewusst handeln zu können. Erich Harsch ging bei dieser Gelegenheit auf den Freiheitsbegriff ein, der eben nicht bedeute, dass jeder tun könne, was er wolle, sondern – und hier zitierte er die Aussage eines Kollegen – Freiheit das Recht bedeute, Verantwortung übernehmen zu dürfen. dm legt deshalb in ihrer Führungsentwicklung Wert darauf, das Bewusstsein bei der gesamten Belegschaft zu fördern, dass der Einzelne in einer Situation eigenverantwortlich, situativ und angemessen handeln kann.

Als ehemaliger Mitgründer des Schweizer Softwareunternehmens netcentric ging auch Dr. Frank Klinkhammer zunächst auf die Entwicklungsgeschichte des eigenen Unternehmens ein. Gegründet am 1. Juli 2012 wuchs das Unternehmen innerhalb von vier Jahren auf 320 Mitarbeiter mit einem Umsatz von 34 Mio CHF und gehörte damit zu den Top 10 der am schnellsten wachsenden Unternehmen in der Schweiz. Wie ist ein solches Wachstum in so kurzer Zeit möglich? In seiner humorvollen Art zeigte Klinkhammer den Weg vom Küchentisch hin zu einer responsiven Organisation.

Nachdem das Unternehmen innerhalb von 2 Jahren auf 50-60 Mitarbeitende gewachsen war und die Gründer eine klassische Pyramide als Organisationsform eingeführt hatten, war das Murren auf Mitarbeiterseite groß. Wurde früher gemeinsam am „Küchentisch“ gearbeitet, hatten diese jetzt das Gefühl, gemanagt zu werden, was all die bekannten Nachteile mit sich brachte. Ohne es damals zu ahnen, führten sie ein neues Managementsystem ein – genannt „Holacracy“ – und wurden damit zur größten Implementierung dieser Methode in Europa. Holokratie hat seine Ursprünge in der Soziokratie, hier gibt es viele Ähnlichkeiten. Bekannt wurde die Methode schließlich durch Brian Robertson und die erfolgreiche Umsetzung bei „zappos“, einem amerikanischen Online-Händler, welcher wiederum die Blaupause für „zalando“ der Samwer-Brüder hier in Europa war.

Zurück zu den Erfahrungen von Frank Klinkhammer: Im weiteren Verlauf seines Vortrags machte er deutlich, welche Prinzipien beim Wachstum von netcentric im Hinblick auf eine responsive Organisation entscheidend waren:- Eine responsive Organisation entwickelt sich evolutionär und nichtrevolutionär. Eine evolutionäre Entwicklung bringt den Vorteil mit, dass sie weniger fragil ist und aus sich heraus kontinuierlich weiterentwickelt.
– Sie besteht aus selbstorganisiertenNetzwerken. In der Holokratie wird das durch Kreise dargestellt.
– Die Mitglieder dieser Kreise sind befähigt, auf der Grundlage ihrer RolleEntscheidungen zu treffen, ohne jemanden fragen zu müssen, solange es dem Wohl der Gesamtorganisaton dient. Dadurch entsteht Geschwindigkeit.
– Sinn und Zweck der Organisation geben den Mitarbeitenden die notwendige Handlungsorientierung.
– Die Mitarbeitenden verwenden dabei transparenteInformationen und sind so in der Lage, durch Experimentieren nicht vorhersehbare Chancen zu nutzen und Herausforderungen zu bewältigen.

Im seinem Abschlussbeitrag brachte der CFO der ec4u expert consultingJens Rehwinkel, viele der vorher genannten Einsichten und Perspektiven auf den Punkt, indem er von der Entwicklung seines Unternehmens, welches er im Jahre 2000 mitgegründet hatte, berichtete. Die ec4u ist heute einer der führenden Anbieter im Bereich des „Customer Journey Managements“ mit Fokus auf die DACH-Region und Projekten in über 80 Ländern.

In seinem Vortrag ging Jens Rehwinkel insbesondere auf die Entwicklung der ec4u hin zu einer Gesunden Organisation ein und zeigte die wichtigsten Schritte und Maßnahmen auf, die für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig waren. Seit 2010 begleitet REFLECT die ec4u bei dieser Entwicklung. Aus seiner Sicht waren die folgenden Faktoren besonders maßgeblich für den Erfolg:

– Die Einführung eines Steuerungskreises rund um die Themen einer Gesunden Organisation
– Die enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Vorstand, HR und REFLECT
– Die konsequente Einbindung aller Führungskräfte als Multiplikatoren für den Gesamtprozess
– Der sukzessive Aufbau von Wissen und Kompetenzen innerhalb mehrerer Jahre
– Ein in sich schlüssiges Trainings- und Kommunikationskonzept sowie
– Die nachhaltige Verankerung durch die Integration in die wichtigsten Personalinstrumente

Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Mitarbeiterzufriedenheit verbesserte sich sukzessive auf hohem Niveau und auch die Arbeitgeberattraktivität konnte maßgeblich gesteigert werden. Das zeigen verschiedene Nennungen als „Beste Arbeitgeber“ oder familienfreundlichstes Unternehmen in Deutschland. Auch erleichterte die vorhandene (Führungs-) Kultur maßgeblich die getätigten Akquisitionen in den Jahren 2015 und 2016.

Um weiterhin erfolgreich am Markt agieren zu können, entschloss sich die ec4u Ende des Jahres 2016, ein Pilotprojekt zu starten, welches insbesondere responsive Ansätze stärker fokussiert. In parallelen Piloten führte das Unternehmen deshalb Holokratie in zwei Unternehmenseinheiten ein.

Die Erfahrungen können durchaus als spannend und volatil, letztlich aber als erfolgreich bezeichnet werden. So wurde deutlich, dass erst im Laufe einer längeren und intensiveren Beschäftigung mit der Methodik auch gute Ergebnisse erzielt werden konnten. Das wiederum ist nicht weiter verwunderlich, braucht es doch eine gewisse Anlaufzeit, bis sich die Menschen an das neue Vorgehen gewöhnt und sich die einzelnen Teile zurechtgeruckelt haben.

Eine Erkenntnis war deshalb auch, dass solche Veränderungen nicht nebenbei passieren, sondern mit entsprechend langem Atem und Konzentration verfolgt werden müssen.

Jens Rehwinkel hob insbesondere die folgenden Aspekte als positive Verbesserungen hervor:– EigenverantwortlichesHandeln wird im Rahmen der Rolle unterstützt, gefordert und konnte so verbessert werden.
– Die Trennung zwischen Themen, welche die Organisation an sich („Arbeit an der Organisation“) und operativeThemen („Arbeit in der Organisation“) betreffen, konnte besser vollzogen werden, was zu mehr Klarheit und Effizienz führte.
– Alle Rollenbeschreibungen sind aktuell und realitätsnah formuliert. Jeder weiß damit besser, was der andere tut und was von ihm bzw. ihr erwartet werden kann.

Fazit:

Die Welt ist im Wandel und deshalb sind Organisationen im Wandel. Wie dieser Wandel begleitet und erfolgreich bewältigt werden kann, dazu gibt es unterschiedliche Wege. Mit den aufgezeigten Konzepten, sei es das der Gesunden Organisation, die Vorgehensweise von dm oder die Prinzipien der responsiven Organisation, wurden Beispiele deutlich, wie Transformationsprozesse in Unternehmen gelingen, aber auch, welche „Wachstumsschmerzen“ damit einhergehen können. Die Veranstaltung bot damit einen Blumenstrauß an Möglichkeiten –  gerne hätten wir manchmal noch etwas tiefer gebohrt.

Gedankt sei allen, die als Teilnehmende maßgeblich zum Erfolg beigetragen haben, den Referenten, die die Veranstaltung durch ihr ehrenamtliches Engagement überhaupt ermöglicht haben, den beiden Moderatoren Tina und Frank sowie unserem Gastgeber und Kooperationspartner, der SRH Hochschule Heidelberg und dem gesamten Team von REFLECT, das im Hintergrund maßgeblich mitwirkte.

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