In den vorangegangenen Beiträgen wurde bereits auf die Gesamtarchitektur der Weiterbildung, auf die Erfolgsmessung und die Bedarfsermittlung eingegangen. Wenn Qualifizierung sich am strategischen Bedarf des Unternehmens orientiert, wenn der konkrete Bedarf an die Bedürfnisse der aktuellen oder zukünftigen Aufgabe angelehnt ist, wenn eine hohe Eigenmotivation besteht ‑ also alle Rahmenbedingungen stimmen ‑ dann sollte eigentlich einem erfolgreichen Training nichts mehr im Wege stehen.
Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis
Warum gibt es dann dennoch immer wieder Maßnahmen, die nicht zur erfolgreichen Umsetzung in der Praxis führen – bei denen also der Lerntransfer nicht klappt?
Trotz aller Vorkehrungen – das stellen Unternehmen ernüchternd fest – bringen viele der Weiterbildungskurse nicht den erhofften Erfolg. Insbesondere Seminare scheinen dieses Problem zu haben ‑ im Grunde aber auch viele andere Lernformen. Verschiedene Studien kamen zu dem Ergebnis, dass bis zu 90% des in Seminaren Gelernten völlig wirkungslos verpufft (Kast und Behrendt 2007) (Bank et al. 2010). Da stellt sich die Frage, welche Faktoren das verhindern können.
Definition Lerntransfer und Lernerfolg
Weiterbildung geht grundsätzlich davon aus, durch Lernmaßnahmen eine (möglichst positive) Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens zu erreichen. Ausgehend vom systemischen Ansatz her, hat jede Intervention eine Auswirkung. Somit existiert der Prozess des Nicht-Lernens schlichtweg nicht.
Demnach beschreibt also der Begriff Lerntransfer „…in der betrieblichen Weiterbildung, die Auswirkungen des Lernprozesses im Seminar auf Lernprozesse, die nach der Rückkehr in den Betrieb stattfinden.“ (Bank et al. 2010, S. 51).Bei den verschiedenen zu treffenden Differenzierungsmöglichkeiten ist es deshalb für die Praxis wichtig, insbesondere in positiven vs. negativen und spezifischen vs. unspezifischen Transfer zu unterscheiden.
Ein positiver Lerneffekt im ökonomischen Sinne stellt sich dann ein, wenn das Qualifikationsniveau nach der Maßnahme so ein hohes Niveau im Gegensatz zu vorher erreicht, dass die entsprechende Kosteneinsparung bzw. der Nutzenanstieg größer sind als die Investition für die Maßnahme (ROI). Der entsprechende Beitrag zum Thema Erfolgsmessung diskutierte dies bereits ausführlich.
Doch wodurch wird nun der Erfolg von Mitarbeitertrainings bestimmt, also letztendlich ein positiver Lerntransfer erreicht?
Bardens (2008) charakterisiert hier die folgenden Determinanten als relevant:
- Berücksichtigung der Ziele und Interessen von Teilnehmern
- Einbindung der Führungskräfte durch aktive Unterstützung der Teilnehmer z. B. in der Vorbereitung und der persönlichen Lernzieldefinition
- Unterstützung der Teilnehmer durch das persönliche Umfeld, z.B. Kollegen
- Begleitung und Unterstützung der Lerntransferphase durch Kollegen und Führungskräfte
- Grundsätzlich positive Akzeptanz („Lernklima“) im direkten Arbeitsumfeld der Teilnehmer
Hindernisse für positiven Lerntransfer
Genauso, wie es positive Faktoren für den Lernerfolg gibt, existieren auch Barrieren, die einer erfolgreichen Umsetzung des Gelernten entgegenwirken. Folgende nannten Weiterbildungsverantwortliche in einer Befragung (Pawlowsky und Bäumer 1996):
Hauptbarrieren beim Transfer von Weiterbildungskenntnissen in den Arbeitsbereich | Anteil der Unternehmen in % |
Keine Nachbereitung der Veranstaltungen | 61% |
Fehlende Zeit, Inhalte umzusetzen | 57% |
Mangelnde Kommunikationsmöglichkeiten der Weiterbildungsinhalte nach einer Veranstaltung | 35% |
Vorgesetzte verhindern Umsetzung aus Angst vor Kompetenzverlust | 30% |
Zu hohe Erwartungshaltung | 25% |
Mangelnde Vorbereitung | 24% |
Schwellenangst der Teilnehmer, Neues zu lernen und umzusetzen | 19% |
Zu geringe Motivation der Teilnehmer | 14% |
Mangelnde Relevanz der Inhalte für die tägliche Arbeit | 13% |
Seminare gelten gemeinhin als Kurzurlaub | 10% |
Inhalte werden von Teilnehmern nicht ernst genommen | 8% |
Seminare sind zu anspruchsvoll | 5% |
Die Tabelle verdeutlicht die bei weitem größten Engpässe in der Phase nach der Veranstaltung. Die entsprechende Nachbereitung durch Begleitung des nachgelagerten Lernprozesses über Lernpartnerschaften oder durch Unterstützung der Führungskraft stellt somit sicherlich eine der entscheidenden Maßnahmen dar.
Ganz zu schweigen von dem Punkt „Vorgesetzte verhindern Umsetzung aus Angst vor Kompetenzverlust“, der sogar andeutet, dass Führungskräfte wohl in 30% aller Fälle nicht nur den Lernerfolg nicht unterstützen, sondern ihn sogar aktiv verhindern!
Offensichtlich liegen die signifikantesten Barrieren in der Arbeitsumgebung. Ferner fällt aber auch auf, dass die Einflussnahme der Teilnehmer und die der Maßnahme selbst vorhanden sind. Also muss man beim Abbau von Transferhindernissen an allen Einflussgrößen ansetzen.
Bank (Bank et al. 2010) gibt weitere Transferhürden an, die in folgenden Bereichen liegen:
- Äußere Widerstände
Softwareschulung, ohne spätere Software-Installation - Didaktische Widerstände
Gelerntes hat aus der Sicht der Teilnehmer keine Relevanz, es fehlt der Zusammenhang zur Praxis - Innere Widerstände
Inhalte werden als „zu theoretisch“ abgetan, Motivation ist nicht vorhanden
Maßnahmen zur Förderung des Lerntransfers
Somit gelten als wichtige Ziele: dem Lerntransfer entgegenstehende Barrieren abzubauen und positive Anreize zu schaffen. Bank (Bank et al. 2010) und Bardens (2008) zeigen hier einige Ansatzpunkte auf:
- Vor der Maßnahme:
- Information über geplante Inhalte
Vorababsprache über die geplanten Inhalte mit den Teilnehmern schafft Transparenz. Jeder Mitwirkende hat die Möglichkeit, sich auf die Veranstaltung einzustellen und ggf. im Vorfeld eigene Lernziele und realistische Erwartungen zu formulieren. - Abbau falscher Erwartungen
Jener verhindert, dass durch zu hohe oder zu niedrige im Seminar Enttäuschung, Langeweile entstehen oder die Teilnehmer überfordert werden. - Interesse und Freude wecken
Durch Schaffung von Transparenz, rechtzeitige Ankündigung und klare Kommunikation der Inhalte und Bildungsziele kann ein klarer und spürbarer Motivationseffekt entstehen.
- Information über geplante Inhalte
- In der Maßnahme
- Praxisbezogene Übungsaufgaben
Die Übungsaufgaben sollten sich nicht von der praktischen Aufgabenstellung abheben. Daher sollten sie stets im Vorfeld abgeglichen bzw. in der Maßnahme auch immer wieder auf Praxistauglichkeit hinterfragen werden. Dennoch erfordern sicherlich manche Themen zwingend einen gewissen „theoretischen“ Unterbau, gerade dann, wenn völlig neuartige Kenntnisse vermittelt werden. - Angemessene Übungszeit
In der didaktischen Gestaltung ist es wichtig, die theoretische Darbietung immer wieder mit Übungsphasen abzuwechseln, um einen positiven Praxistransfer vorzubereiten - Reflexion der Lerninhalte bezüglich der Praxisrelevanz
Während der Maßnahme muss man bereits immer wieder über die praktische Bedeutung des gerade Erlernten sprechen. So beispielsweise, wie nun durch die Anwendung eine Veränderung bzw. Verbesserung erreicht werden kann. Damit bleibt die Aufmerksamkeit und aktive Teilnahme in der Maßnahme hoch.
- Praxisbezogene Übungsaufgaben
- Nach der Maßnahme
- Lern- und Erfahrungsgruppen („Lernpartnerschaften“), Netzwerke, Transfercoaching
Der Austausch mit anderen Teilnehmern in der praktischen Umsetzung ist ein hochwirksames Instrument, den Transfererfolg positiv zu begleiten. Infrage kommen hierbei z. B. Lernpaare, Kleingruppen, virtuelle Gruppen oder Foren. Als sinnvoll erweisen sich auch die Einbindung des Dozenten oder früherer Teilnehmer (Transfercoaching), ebenso die Begleitung durch Mentoren oder andere Experten.
Wichtig für die Realisierung sind die Berücksichtigung von Lernphasen in der betrieblichen Realität und die positive Akzeptanz durch und die aktive Unterstützung von Führungskräften und Kollegen. - Nachbesprechung mit der Führungskraft und Umsetzungspläne
Die Information über die Inhalte vom Teilnehmer an die Führungskraft stellt einen wichtigen Aspekt dar, um Transparenz über das Gelernte zu erzeugen und die Chancen und Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung zu erörtern. In diesem Zusammenhang können und sollten dann Umsetzungspläne mit klaren Erwartungen und Zielen von beiden Seiten angeregt werden.
- Lern- und Erfahrungsgruppen („Lernpartnerschaften“), Netzwerke, Transfercoaching
Fazit und Empfehlungen
Dieser Artikel verdeutlicht, dass durch entsprechende Umsetzung aller Phasen einer Weiterbildungsmaßnahme Transferbarrieren abgebaut und der Transfererfolg erhöht werden kann.
Dazu muss in der Vorbereitung bereits eine enge Einbindung der Teilnehmer geschehen, um zusätzlich auch motivationssteigernd zu wirken. Durch die Formulierung konkreter, persönlicher Qualifizierungsziele sollte hier gleichzeitig die Vorbereitung der späteren Transferphase erfolgen.
Bei der didaktischen Gestaltung des Kurses selbst liegt das Hauptaugenmerk an einem starken Praxisbezug. Dazu gehören am Unternehmensumfeld und den praktischen Herausforderungen orientierte Übungsaufgaben und häufig eingestreute Reflexionsphasen, die immer wieder die praktische Umsetzung im späteren Arbeitsalltag in den Mittelpunkt rücken.
Nicht zuletzt ist von hoher Bedeutung, dass direkt nach der Maßnahme mit der Umsetzung in der Praxis begonnen wird. Um diese Phase erfolgreich abzuschließen, bedarf es idealerweise einer starken Einbindung der Führungskräfte, Kollegen, Lernpartner, Mentoren, Transfercoaches. Zudem erweist sich die Formulierung eindeutiger Umsetzungspläne als vorteilhaft.