Wie sorgen wir für mehr Agilität in unserer Organisation?
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Bei nüchterner Betrachtung des Managementdiskurses, der um diese Frage kreist, drängt sich folgender Eindruck auf: Es wird viel über Agilität und agile Methoden gesprochen – aber zu wenig auf die Bedingungen geschaut, die Agilität in der Organisation überhaupt erst ermöglichen. Böse Zungen behaupten sogar, dass diejenigen, die am lautesten nach Flexibilität und Beweglichkeit in der Organisation rufen, gerade auch dieselben sind, die zur Verfestigung von Strukturen mit ihrem eigenen Handeln beitragen.
Gib Agilität eine Chance – Wie Sie Agilitätsblockaden in Ihrer Projektorganisation lösen
Wie verbessern wir unser Projektmanagement, um die Agilität in unserer Organisation effektiv zu steigern? Wenn sich Führungskräfte vor diese Aufgabe gestellt sehen, stehen mehrere Herangehensweisen zur Verfügung: Die einfachste Option besteht darin, das agile Mantra gebetsmühlenhaft vor sich herzutragen und keine weitere Aktion folgen zu lassen. Am meisten Eindruck schindet man mit der Option, Agilität bei allen passenden Gelegenheiten als Logo in die Unternehmenskommunikation einzuschleusen. Die bequeme Option besteht darin, externe Experten zu beauftragen, Agilität von außen zu importieren und damit den ohnehin schon gestressten Teammitgliedern viel Arbeit abzunehmen. Wenn Sie als Verantwortliche das agile Potential Ihres Projektmanagements (PM) bestmöglich ausschöpfen wollen, wählen Sie mit Ihrem Managementteam die produktivste, jedoch auch aufwendigste Option: Sie SELBST spüren Agilitätspotentiale in Ihrer Organisation auf und Sie SELBST lösen die Bremsen, die Agilität blocken!
So lösen Sie Blockade Nummer 1 – „Fehlendes Verständnis – Projektmanagement ‚stört‘ die Linienroutinen“
- Das Grundanliegen des PM, Entscheidungsprozesse durch schnittstellen-übergreifende Lösungen zu beschleunigen, klingt zunächst einleuchtend. Die Idee: Langwierige Top Down-Prozesse werden verkürzt, indem horizontale Entscheidungsprozesse quer über die Linienstrukturen hinweg organisiert werden.
Die grundlegende Frage ist: Verstehen dies auch die Entscheider*innen in den Linienstrukturen? Antwort: Oftmals NICHT, meistens nicht WIRKLICH!
Geben Sie also Ihren Linienführungskräften die Möglichkeit, sich intensiv mit den Auswirkungen auf die eigene Rolle auseinanderzusetzen. Beispiel: Mitarbeitende der eigenen Abteilung werden im horizontalen – sprich agilen – Setting auch von anderen geführt, z.B. von einem oder mehreren Projektleitungen. Es reden also noch andere Instanzen mit, wenn es um den Einsatz meiner Mitarbeitenden geht.
Nur wenn die Linienführungskraft dies versteht, wird er bzw. sie die Einsicht entwickeln, dass der erhöhte Abstimmungsbedarf mit der Projektleitung und ggf. anderen Linienchefs kein Störfaktor ist, sondern – kollegiales Miteinander vorausgesetzt – zu mehr Effizienz in der Organisation führt.
- Schwieriger wird es, wenn nicht nur die Einsicht, sondern auch die Akzeptanz Durch unbewusst über Jahre habitualisiertes Abteilungsdenken, bekannt als „Silodenken“, ist vielen Linienführungskräften die linienübergreifende kollegiale Abstimmung wesensfremd oder auch einfach ungewohnt. Folglich ist es unerlässlich, auch die Akzeptanz bei den Beteiligten zu fördern. Eine aktive, begleitende Führung unterstützt die Linienführungskräfte, die gewonnenen Einsichten in positive neue Gewohnheiten zu transformieren.
- Es liegt auf der der Hand, dass Verständnis, Einsicht und Akzeptanz nur bedingt wachsen, wenn Sie als Verantwortliche in der „Rundmail an alle“ oder in der „Anweisung von oben“ den schnellen Erfolg suchen.
Der Weg zur Veränderung führt über Informieren, Reflektieren, Trainieren und ggf. auch Coachen. Anders ausgedrückt: Nur über Ihre aktive Führungsarbeit.
Wie Sie Blockade Nummer 2 lösen – „Mangelhafte Handhabung der Methodik“
- Eine Sammlung geeigneter Methoden findet sich meist im PM-Handbuch, im PM-Leitfaden oder in einem sonstigen, heute meist digitalen Format.
Das Problem: Wie das Handbuch, das im Aktenschrank einstaubt, bringen auch digitale Formate keinen Nutzen, wenn die PM-Akteure damit nicht vertraut gemacht werden.
Sorgen Sie dafür, dass mit dem PM-Instrumentarium tatsächlich gearbeitet wird! Und zwar von allen, die es betrifft!
- Bei genauem Hinsehen können Sie beobachten, dass ein gut gewähltes PM-Instrumentarium zur Verfügung steht, die Verantwortlichen dieses auch kennen, aber – aus unterschiedlichsten Gründen – nur halbherzig anwenden (z.B. „Wenn’s gerade passt“). Stellen Sie also sicher, dass die PM-Methodik auch professionell angewendet wird!
- Verantwortliche in der Linienorganisation müssen das PM-Instrumentarium nicht unter dem Kopfkissen liegen haben und auswendig kennen. Aber auch sie sollten sich mit wesentlichen Instrumenten und Arbeitsschritten vertraut machen, um deren Anwendung von der Projektleitung und den Projektteams einzufordern. Das sorgt für Rückenwind für die Projektleitung und für zusätzliche Motivation innerhalb der Teams.
- Selbstredend und gerade deshalb wichtig zu erwähnen: Was gar nicht geht ist, wenn Linienführungskräfte die Vorbildrolle konterkarieren.
Beispiel: „Deine Chefin bin immer noch ich! Was Dir Dein Projektleiter sagt, ist zweitrangig.“
So „einfach“ lösen Sie Blockade Nummer 3 – „Die dynamischen Tools sind Booster für Agilität!“
Das Projektmanagement bietet ein ganzes Arsenal an Instrumenten, welches die Anpassungsfähigkeit an Umfeldänderungen und/oder Änderungen der Anforderungen seitens des Auftraggebenden erhöht. Werkzeuge wie bspw. die Risikoanalyse, das Änderungs- und Crash-Management oder auch Iterationsschleifen müssen halt nur genutzt werden! Fordern Sie deren konsequente Anwendung von der Projektleitung nicht nur ein, sondern wirken Sie konstruktiv mit, etwa, wenn Notfallszenarien schnelles Handeln erfordern. Und akzeptieren Sie keine Ausreden mehr, wenn sich Projekte wieder mal „ziehen“ und nur schleppend vorankommen.
Wie lösen Sie Blockade Nummer 4 –
„Dilettantische Ressourcenentscheidungen“?
Die Logik ist simpel: Je länger Sie mit Ressourcenentscheidungen zögern, umso träger wird Ihr Projektmanagement. Agilität durch Projektmanagement ist nur zu ernten, wenn die Ressourcenentscheidungen gut fundiert und zügig getroffen werden. Sie nehmen Ihren Projektmanagern Knüppel aus den Beinen, in dem Sie …
- … gesunden Menschenverstand und Erfahrungswerte zur Einschätzung von Ressourcenbedarfen einsetzen.
Man muss nicht zertifizierte*r Projektleiter*in oder Berater*in sein, man weiß es auch so: Mit fortschreitendem Wissen über das Projekt steigt Kenntnis über den voraussichtlichen Ressourcenbedarf. Und – oh Wunder – der tatsächliche Ressourcenbedarf steigt ebenfalls. Dieses Wissen sollte für eine zeitgerechte Entscheidungsfindung bei der Ressourcenzuweisung verwendet werden – anstatt Projektmanager*innen mit Ausreden hinzuhalten.
- … Sie sich und den Mitentscheidenden einen zutreffenden Überblick über Anzahl, Art und Umfang von Projekten verschaffen.
Oft fehlt es an der Gesamtsicht für den Ressourcenverbrauch in den Projekten. Die Projektlandkarte hilft, den Gesamtblick zu verschaffen. Mit ihrer Hilfe werden falsch priorisierte Projekte identifiziert. Auch nutzlose „U-Boot-Projekte“ und „Leichenprojekte“ werden ins Tageslicht gerückt und aussortiert.
- … ein funktionsfähiges ERP-System (Enterprise-Resource-Planning) installieren. Es soll auch in Zeiten von Management 4.0 noch Unternehmen geben, deren Verantwortliche sich beim Ressourcenverzehr eher von Ahnungen und Vermutungen denn von Transparenz leiten lassen.
Sofern die Punkte 1 – 3 erfüllt sind, braucht es lediglich mutige, manchmal auch schmerzhafte Entscheidungen: Wenn die Konsolidierung Ihrer Excellisten 150 Projekte ausweist, streichen Sie gut und gern 100 Projekte. Das Projektmanagement wird es Ihnen durch schnellere und bessere Ergebnisse in den priorisierten Projekten danken.
- In vielen – meist größeren – Organisationen werden die Themen 1 – 3 ganz leidlich angegangen. Hier sind es andere Faktoren, die das Projektmanagement lähmen.
Beispiele: Verschiebungen der Projektpriorisierung werden schlecht kommuniziert.
Entscheidungen „von oben“ sind nicht nachvollziehbar oder Machtdynamiken konterkarieren sachliche Ressourcenentscheidungen. Wollen Sie „Blindleistungen“ oder kompletten Stillstand in den betroffenen Projekten den Nährboden entziehen?
Dann sorgen Sie für eine Projektkultur, in der Sachlichkeit, Transparenz und Verlässlichkeit im projektübergreifenden Auftragsmanagement gewährleistet ist.
Mit Rollenklarheit lösen Sie Blockade Nummer 5 – „WER ist WOFÜR zuständig?“
Rollenunsicherheit führt zu Verzögerungen im Projektgeschäft. Um diese zu eliminieren, sorgen Sie für Rollenklarheit. Als Entscheidsverantwortliche sollten Sie in zwei Handlungsfeldern aktiv werden: Die Definition der Rollenprofile und die Anwendung der Rollenprofile im Projektalltag. Zur Rollendefinition steht Ihnen als einfaches Instrument das sogenannte Rollen-AVK zur Verfügung. Das Rollenverständnis wird über die drei Dimensionen Aufgabe/ Verantwortung/ Kompetenz definiert.
Wichtig: Um die erwünschte Wirkung des Werkzeugs zu erzielen, können Sie darauf zu achten, dass die drei Dimensionen kohärent ausformuliert werden.
Was heißt das?
Beispiel: Der Projektleitung wird die Aufgabe übertragen, ein als „strategisch wichtig“ eingestuftes Projekt durchzuführen. Die Projektleitung wird folgerichtig auch für Zieleinhaltung, Motivation des Projektteams usw. verantwortlich gemacht. Das funktioniert nur, wenn der Projektleitung auch die Budget- und Verfügungskompetenz über Personalressourcen übertragen werden. Ohne Kompetenzen muss die Projektleitung improvisieren, zuweilen auch zaubern. Und gerade Letzteres geht bekanntlich nicht lange gut. Was für die Projektleitung gut ist, gilt auch für die anderen, am Projekterfolg Beteiligten, beispielsweise die Kernteammitglieder*innen und den Projektauftraggeber. Wichtig, dass Rollen aller Beteiligten gut aufeinander abgestimmt sind. Das beste Instrument nützt bekanntlich nichts, wenn es NICHT oder NICHT RICHTIG angewendet wird. Um zu vermeiden, dass Ihre gut ausgearbeiteten Rollenprofile das Schicksal „Ablage P“ ereilt, sollten Sie sinnvolle Anwendungen vereinbaren. Zur guten Managementpraxis zählt, das Rollenverständnis bei Projektbeauftragung zwischen Projektleitung, – team und -auftraggeber abzugleichen. Rollenprofile sind eine auch gute Hilfe, falls Konflikte im Team oder zwischen Projektteam und Linie auftreten. Sollte beim Projektcontrolling die Ampel auf „gelb“ oder gar „rot“ springen, dann wird Ihnen der Blick auf das tatsächlich gelebte Rollenverständnis der Beteiligten „Aha“-Effekte liefern.
Fazit
Über Agilität zu fabulieren, ist eine Sache. Für Agilität wirklich zu sorgen, ist eine ganz andere. Das Narrativ, Projektmanagement sei – gerade in seiner „klassischen“ – Form zu wenig agil, stellt sich bei genauem Hinsehen als Mär heraus. Solange Sie das Projektumfeld semiprofessionell gestalten, ist auch jede Form von Projektmanagement bestenfalls semi-agil. Anders gewendet: Nicht das Projektmanagement als solches, sondern Versäumnisse in der Implementierung und fehlende Unterstützung aus dem Projektumfeld machen Ihre Organisation inagil. Jede Blockade, die dem Projektmanagement den Schwung nimmt, ist zu identifizieren und erfolgreich aufzulösen. Je besser dies gelingt, umso mehr geben Sie Ihrer Projektorganisation den erwünschten Schub an Beweglichkeit und Flexibilität. Erst dann kann auch der Einsatz von „agilen Methoden“ wie Scrum oder Design Thinking zusätzliche Agilitätspotentiale eröffnen. Diese dann aber umso wirkungsvoller.
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