In einer neuen Studie haben Forscher aus dem britischen Bath herausgefunden, dass Perfektionisten ein erhöhtes Burn-out Risiko haben. Diese Studie wirft ein neues Licht auf die herkömmliche Meinung, dass Führungskräfte einen großen Anteil am Ausbrennen ihrer Mitarbeitenden hätten.
Im Rahmen der Metastudie von Hill & Curran (2015, Studie kann am Ende des Beitrags bei uns angefordert werden) wurden 43 Studien, die sich mit Burn-out beschäftigen, nach ihren ursächlichen Effekten untersucht. Von den insgesamt aufgezeigten 663 Effekten war die Korrelation mit dem Persönlichkeitsmerkmal „Perfektionismus“ am größten. Waren es bisher in vielen Studien exogene Faktoren, also vom Umfeld beeinflusste, die das Ausbrennen von Mitarbeitenden bewirken können, so zeigt diese Metastudie deutlich, dass es vor allem endogene Faktoren, wie bspw. eine hohe Ausprägung von Perfektionismus, ausschlaggebend für das Entstehen von Burn-out sein können.
Manche Führungskräfte werden jetzt hörbar aufatmen, endlich mal ein Faktor, für den sie nicht hauptursächlich verantwortet werden können. Waren Führungskräfte in der Vergangenheit doch meist diejenigen, die nicht ausreichend gelobt, gewertschätzt oder schlicht und ergreifend zuviel – und das zu jeder Tages- und Nachtzeit – von ihren Mitarbeitenden verlangt haben.
Abbildung 1: Perfektionsimus & Burnout
Forschung zu Perfektionismus
In der erstmals im Juni 2015 veröffentlichten Studie, in welcher insgesamt 9.838 Personen verglichen wurden, kam zu neuen Erkenntnissen: Oft ist es der eigene Perfektionismus, der zum Ausbrennen führt und deutlich weniger die direkte Führungskraft.
Woran erkennt man Perfektionismus und was sind die Folgen? Wieviel Perfektionismus steckt in mir und gehöre ich auch zur Risikogruppe? Zunächst: Perfektionismus hat viele Facetten. In der Fachliteratur werden vor allem zwei Hauptdimensionen unterscheiden: das Streben nach Perfektionismus („perfectionistic strives“) und die Angst, Fehler zu machen, negativ von anderen bewertet zu werden oder der ungünstige Umgang, wenn man schlechte Ergebnisse erzielt hat („perfectionistic concerns“). Während die erste Gruppe in der Metastudie keine signifikante Korrelation zu Burn-out aufwies, zeigten Personen, die der zweiten Dimension zugeordnet werden können, eine mittlere bis hohe Korrelation mit Burn-out Symptomen.
Generell gilt: Perfektionisten wollen Dinge besonders gut machen. Oft werden sie deshalb als motivierter oder auch auch leistungsfähiger erlebt. Leider wissen wir seit der Paretoformel, dass das oft nicht der Wirklichkeit entspricht. Für die letzten 20%, um ein wirklich perfektes Arbeitsergebnis zu erzielen, benötigt man eben auch nochmals 80% des gesamten Zeitbedarfs. Und das macht Perfektionisten oft sogar unproduktiver als ihre Mitmenschen.
Dazu kommt, dass Perfektionisten die Arbeit meist als schwierig und anstrengend erleben. Außerdem mögen sie keine Unsicherheit – ein Faktor, der in der heutigen Berufswelt eher die Regel als die Ausnahme darstellt.
Da unsere Gesellschaft immer mehr zu einer außerordentlichen Leistungsgesellschaft geworden ist, in der möglichst alles perfekt geregelt und getan werden muss, wächst der Druck bei ohnehin perfektionistisch veranlagten Menschen. Das fängt noch vor dem Kindergarten an (Stichwort: PEKiP) und hört bis zum wortwörtlichen „Umfallen“ nicht mehr auf. Ein noch rüstiger Rentner, der sich nicht an irgendeiner Uni einschreibt oder ehrenamtlich engagiert, wird mißtrauisch angesehen. Um also im allgemeinen Leistungssog mithalten zu können, muss man sich entweder richtig anstrengen oder willensstark und selbstbewusst genug sein, „sein Ding zu machen“ – wie es Udo Lindenberg 2008 geschnoddert hat.
Es ist also der Teufelskreis aus externen Umständen – hoher Leistungsdruck, unsicheres Jobumfeld, hohe Erwartungen – in Kombination mit einer hohen Ausprägung des persönlichen Merkmals „Perfektionismus-Bedenken“, die zu einem erhöhten Risiko, an Burn-out zu erkranken, führen können.
Jede/r, ob Mitarbeiter oder Führungskraft, sollte sich also selbst ehrlich die Frage stellen, wie sehr man sich unter Druck setzt oder setzen lässt, ob tatsächlich jedes Ergebnis perfekt sein muss und ob Arbeit nicht auch mal leicht von der Hand gehen darf.
Und jede Führungskraft kann insofern unterstützen, dass sie 1) genau überlegt, wann sich der Aufwand für ein perfektes Ergebnis wirklich lohnt, und 2) die identifizierten „Perfektionisten“ im Team bewusst vom perfekten Anspruch entlasten und, sollte das nicht helfen, das individuelle Gespräch suchen, um Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung zu reflektieren und zu geeigneten Lösungen zu gelangen.