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Mit Werten Führen – Die 6 Dimensionen wertegeleiteter Führung

Wertegeleitete Führung ist eine ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe. In diesem Beitrag beschränken wir uns auf die Betrachtung der Führung von und in Organisationen mit dem Schwerpunkt Unternehmen.

Führung findet allerdings überall statt: in der Familie, in Arztpraxen, Kindergärten, Verwaltungen, Regierungen, Parlamenten, Kirchen, Print-Anzeigen (Leserführung), Chatkanälen (Meinungsführung), Klöstern, etc.

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Übrigens: Wer Interesse an einer vertieften Auseinandersetzung mit Führung hat, für den lohnt die Lektüre der Ordensregeln etwa von Benedikt oder Augustinus. Hier sind schon wesentliche und zeitlose Prinzipien von wertegeleiteter Führung und Arbeitsteilung niedergeschrieben.

In diesem Beitrag werde ich 6 Dimensionen bzw. Richtungen der wertegeleiteten Führung skizzieren. Das folgende Schaubild zeigt diese Dimensionen in einer Übersicht und in ihren Wechselbeziehungen.

6_Dimensionen

Selbstführung

Wer verantwortlich führen will, sollte in der Lage sein, sich selbst führen zu können.

Voraussetzung dafür ist eine klare Haltung, die einem selbst Halt gibt. Dazu zählen unter anderem ein konsistentes Wertegerüst, dass anzeigt, was mir als Führungskraft wertvoll ist. Dieses eigene Wertegerüst ist idealerweise im Einklang mit den Unternehmenswerten. Dann gibt es bei wichtigen Entscheidungen weniger potentielle Dilemmata.

Falls in Einzelfällen eigene Werte im Widerspruch mit denen des Unternehmens stehen, ist durch eine eigene Wertehaltung eine klare Positionierung und eine Abgrenzung möglich.

Die Verbindung der eigenen Werte mit einer spezifischen Unternehmenstätigkeit kann im Fall einer weitgehenden Passung auch sinnstiftend sein. Sinnstiftende Arbeit ist in aller Regel hoch motivierend und damit leistungssteigernd. Insofern ist es im eigenen Interesse von Unternehmen, Wert auf die Selbstführung ihrer Führungskräfte zu legen.

Ein weiterer Aspekt der Selbstführung ist Respekt. Damit ist gemeint, dass man sich selbst so gut kennt, dass man sich selbst respektieren kann. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass man auch Menschen mit anderen Werten bzw. Anschauungen respektieren kann.

Respektvoller Umgang im Unternehmen führt zu geringeren Spannungen und Konflikten und somit zu geringeren Kosten der Konfliktschlichtung.

Unternehmensführung

Unternehmensführung kann in der heutigen Zeit eigentlich nur nachhaltige oder gar regenerative Führung sein. Nachhaltige Unternehmensführung ist nicht nur auf Machbarkeit ausgerichtet, sondern auch auf Verantwortbarkeit.

Dazu bedarf es Kriterien, die in den Unternehmenswerten zum Ausdruck kommen. Diese richten sich gleichermaßen auf Wertschöpfung und Wertorientierung und finden in der Regel ihren Niederschlag im Leitbild der Organisation. Das tägliche Vorleben und fortwährende Kommunizieren dieser ganzheitlichen Grundhaltung ist eine wesentliche Aufgabe der Führungskräfte.

Wie oben bereits ausgeführt, liegt ein Kern von Führungsarbeit in der Entwicklung der Haltung der Führungskräfte und gibt dadurch der Organisation Halt bzw. Orientierung. Letztlich sind es auch die Führungskräfte, die als Nachfolger der Gründer dem Unternehmen von Generation zu Generation immer wieder einen zeitgemäßen Sinn geben. Je stärker dieser ausgeprägt und auch verinnerlicht ist, desto größer ist in der Regel die Identifikation der Mitarbeitenden und der Führungskräfte mit dem Unternehmen. Das gilt in zunehmendem Maße nicht nur für bestehende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sondern auch für künftige (Employer Branding).

Insofern spendet eine durch Haltung geprägte Unternehmenskultur, die einen klaren Sinn und Zweck des Unternehmens im Markt formulieren kann, einerseits Orientierung für die gesamte Organisation, andererseits auch für die Mitarbeitenden und schließlich für die Kunden, die dadurch wissen, woran sie bei dem Unternehmen sind.

Diese Orientierung hilft ebenfalls bei der Entfaltung des vollen Potentials des Unternehmens mit seinen Produkten und Dienstleistungen. Ein Beispiel dafür ist Apple mit seiner klaren Orientierung an einfacher Handhabbarkeit gepaart mit gleichzeitig ansprechendem und funktionalem Design. Mit diesem Ansatz hat das Unternehmen eine ganze Branche grundlegend beeinflusst (z.B. durch extrem flache und leichte Laptops, Wischtechnik in Mobiltelefonen, Einbettung der Tastatur in das Display, etc.).

In den letzten Jahren ist sowohl in der Literatur als auch in der Praxis das Konzept der agilen bzw. der kollegialen, geteilten Führung aufgekommen. Ein Grund dafür liegt sicherlich darin, dass man zunehmend erkennt, dass die zahlreichen Führungsaufgaben in einer komplexen Welt künftig nicht mehr nur von einer Person erfüllt werden können, sondern besser auf mehrere Schultern verteilt werden.

Diese Verteilung von Führungsaufgaben auf mehrere Menschen eröffnet die Möglichkeit, verschiedene Kompetenzen sowie die kollektive Intelligenz einer Gruppe zu nutzen, was tendenziell zu besseren Ergebnissen und schnellerer Aufgabenerledigung beiträgt.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die Unternehmenskultur von einer Kontroll- und Fehlerbestrafungskultur hin zu einer Vertrauens- und fehlerfreundlichen Kultur entwickelt.

Es soll nur am Rande erwähnt werden, dass sich aktuell auch viele, insbesondere junge Unternehmen, grundlegende Gedanken zur Rechtsform ihres Unternehmens machen und ebenfalls die Governance auf neue Anforderungen anpassen. Das hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Arbeitgeberattraktivität, was bei einem angespannten Arbeitsmarkt eine zunehmend wichtige Rolle spielt.

Hier sei die Unternehmensform des Verantwortungseigentums genannt, also das „sich selbst gehörende Unternehmen“. Auch eingesessene Unternehmen wie Alnatura oder die Robert Bosch Stiftung haben diese bzw. ähnliche Unternehmensformen gewählt.

Darüber hinaus wirkt Führung auch indirekt etwa über Stru

kturen (Organisation, Unternehmenskultur), Prozesse (Geschäfts-, Planungs- Verbesserungsprozesse) und Systeme (Anreiz- Steuerungs-, Beurteilungssysteme). Strukturen bestimmen – meist unsichtbar – das Verhalten der Menschen und sind folglich auch ein Ergebnis von Führungsentscheidungen.

Kundenführung

In dem Feld der Kundenführung geht es darum, die relevanten Märkte für das eigene Unternehmen zu identifizieren. Dabei konzentriert man sich auf seine Zielgruppe mit allen marktgerichteten Aktivitäten (z.B. Produktportfolio, Konditionen incl. Preispolitik, Vertriebskanäle, Kommunikation).

Wenn wir unsere Kunden (direkte und indirekte) auf Grundlage einer nachhaltigen Führung ernst nehmen, werden wir mit unserem Angebot den Kundennutzen stets im Mittelpunkt unserer Bemühungen haben und zwar nicht nur in unserer Kommunikation, sondern mit unserem ureigenen Produktportfolio.

Das wir hierbei nicht nur den kurzfristigen finanziellen Erfolg anstreben, sondern eine langfristige, nachhaltige Kundenbeziehung aufbauen, ist ein Wesensmerkmal der wertegeleiteten Führung.

Zu dieser Grundhaltung dem Kunden gegenüber zählt auch, dass man mit angemessenen Preisen kalkuliert, die ein erfolgreiches Geschäft ermöglichen. Allerdings nicht wie etwa Apple, die Kunden mit sachlich vollkommen überzogenen Preisen ausbeuten. Diese übertriebene Preispolitik ist für mich persönlich übrigens der Grund gewesen, dass ich mein Apple iPhone nicht mit dem nächsten Modell ersetzt habe, sondern zu einem anderen Hersteller gewechselt bin.

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Mitarbeiterführung

Wenn ein Kernelement von wertegeleiteter Führung die Haltung der Führungskräfte ist, zählt zu den wichtigen Aufgaben von Führungskräften ebenfalls die Haltungsentwicklung bei den Mitarbeitenden – unter anderem durch beispielgebende Führung. Dieses erlebbare Verhalten der Führungskräfte als Rollenmodelle – inklusive einer konsistenten Kommunikation auf Augenhöhe – bietet Orientierung und schafft Vertrauen bei den Mitarbeitenden.

Vertrauen ist deshalb so wichtig, da immer mehr Entscheidungen zum Kunden hin verlagert werden, um die Dezentralisierung voranzutreiben. Das erscheint in einer zunehmend schnelllebigen und komplexen Zeit durchaus auch sinnvoll.

Als Folge müssen dann die Mitarbeitenden auf diesen gestiegenen Arbeits- und Verantwortungsumfang vorbereitet werden, beispielsweise durch Weiterbildung oder Projektarbeiten, damit sie ihr volles Potential auch entfalten können.

Ich selbst bezeichne mich als Berater öfter als „Raumpfleger“, weil der Kern von Beratungsarbeit darin besteht, innere und äußere Räume zu gestalten, zu halten, zu öffnen und darin zu begeistern. Hier gibt es viele Parallelen zur Führungsarbeit. Führungskräfte als „Raumpfleger“ zur Gestaltung von sicheren Räumen für die Potentialentfaltung der Mitarbeitenden zur Erreichung der Unternehmensziele.

Ähnlich wie bei der Unternehmensführung gilt es auch in der Mitarbeiterführung Orientierung zu geben in einer orientierungsarmen Welt. Dazu kommt, insbesondere von der jüngeren Generation, vermehrt der Wunsch nach Sicherheit. Offenbar sind wir in den westlichen Industrieländern an einem Punkt angelangt, wo Sicherheit über Bezahlung geht.

Im direkten Umgang mit den Mitarbeitenden sind Lob und Anerkennung, wie auch schon früher, wichtige Zeichen von Wertschätzung und somit Ausdruck der wertegeleiteten Führung.

Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Einbeziehung der Mitarbeitenden in anstehende Entscheidungen.

Durch diese Beteiligung werden sie zu Mitunternehmern mit eigener Verantwortung. Das entspricht einerseits den Bedürfnissen vieler junger Menschen heute. Andererseits können Entscheidungen auf den Erfahrungen zahlreicher unterschiedlicher Menschen aufbauen, was Perspektivenvielfalt und einen umfangreichen Blick auf die zu entscheidenden Themen ermöglicht und deshalb in der Tendenz zu ausgewogeneren Entscheidungen und damit verbundenen Ergebnissen führt.

 

Partnerführung

Bei der Partnerführung liegt der Fokus nicht nur auf den Lieferanten, sondern auch auf Banken, Versicherungen, Arbeitsagenturen, Medien etc. Die Führung in dieser Dimension besteht darin, die Auswahl passender Partner nicht ausschließlich am günstigsten Preis festzumachen (der ist auch wichtig), sondern die Passung zur eigenen Kultur und zum eigenen Selbstverständnis als ein wesentliches Auswahlkriterium zu nehmen.

Sind die Partner von ähnlichen Werten geleitet wie wir in unserem Unternehmen, können wir annehmen, dass unsere Partnerschaft langfristig angelegt ist. Die langfristige Bindung hat den Vorteil, dass die Suchkosten für neue Partner über eine lange Zeit sehr niedrig bleiben. Was wiederum einen Wettbewerbsvorteil mit sich bringt.

Darüber hinaus zählen bei der Wahl der Partner nicht nur die direkten Vertragspartner als Lieferanten, sondern auch alle Glieder der Lieferkette sowie ebenfalls Betriebsräte und Gewerkschaften aber auch die Kommunen an den Unternehmensstandorten mit den dort verfügbaren Infrastrukturen.

Die Anerkennung der Infrastrukturen drückt sich auch dadurch aus, dass in der wertegeleiteten Führung nicht jede legale Möglichkeit der Steuervermeidung genutzt wird (Steuern finanzieren die Infrastruktur), sondern auch ein fairer Teil an lokaler Steuer abgeführt wird (national wie international). Das ist die Anerkennung (durch Finanzierung) für die vom Staat bereitgehaltenen Gemeinschaftsaufgaben (z.B. Bildung, Verkehrs-, Ver- und Entsorgungsnetze, Gesundheitswesen etc.). Und dies im Wissen, dass der Staat nicht immer der beste Sachwalter dieser Aufgabe ist, also oft auch recht ineffizient agiert. In dem Feld der Steuerzahlung ist deshalb zwischen den Ansprüchen der Anteilseigner (Shareholder Value) und denen der Allgemeinheit (Stakeholder) zu vermitteln.

Ökosystemführung

Dieser Aspekt der wertegeleiteten Führung ist für die meisten Lesenden vermutlich relativ neu.

Ökosystemführung geht davon aus, dass ein Unternehmen nicht unabhängig im luftleeren Raum agiert, sondern ganz eng mit anderen Akteuren und mit der Mitwelt verbunden ist. Dabei ist nicht nur der ökologische Aspekt des Ökosystems gemeint, sondern die Gesamtheit aller Wechselbeziehungen zwischen Institutionen, Natur, Infrastrukturen und Initiativen, die in einer Region existieren.

Als Stichworte seien genannt:
Wohnungen, Straßen und Schienen, Ver- und Entsorgungsleitungen, Behörden, Schulen und Universitäten, Gesundheitseinrichtungen, lokale und überregionale Presse und Medien, Internetanbindungen, Kulturstätten und -Plätze, Natur für die Naherholung, Sportinfrastruktur etc., um nur einige wenige zu nennen.

Ohne diese Einrichtungen könnte ein moderner Staat nicht existieren. Allerdings betrachten wir diese genannten Elemente oft als eigenständige, nicht zusammenhängende Einheiten. Das verkennt die tatsächlich existierenden Wechselbeziehungen untereinander.

Ein weiteres Beispiel ist die Co2 Emission oder die Nutzung von Flüssen als Kühlwasser. In der Vergangenheit war es so, dass Unternehmen das einfach tun konnten, ohne dafür zu zahlen. Wenn aber die Nutzung einer Ressource keinen Preis hat, dann wird sie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive nicht als knappes Gut betrachtet, mit dem man aus Eigennutz sparsam umgehen müsste. Die Kosten fallen ja zunächst nicht in der eigenen GuV an.

Diese Sichtweise hat sich erst geändert, als die Verschmutzung mit einem Preis belegt wurde (Zertifikate). Nun ist es auch betriebswirtschaftlich interessant, die Umweltverschmutzung in Grenzen zu halten, um Kosten zu sparen. Also wird die unternehmerische Phantasie angeregt, Lösungen zu finden, die Verschmutzung vermeiden, um dadurch Kosten zu sparen.

Ein weiteres Beispiel soll exemplarisch die tiefe Verbundenheit der verschiedenen Akteure einer Region verdeutlichen.
Wenn ein internationales Unternehmen wie Intel sich in der Region um Magdeburg mit einem bzw. mehreren neuen Werken ansiedeln und dadurch 10.000 Arbeitsplätze auf der grünen Wiese schaffen möchte, benötigt es zunächst einen passenden Standort mit guter Verkehrsanbindung. Die Bauern in der Gegend müssen einem Verkauf ihrer Grundstücke zustimmen. Die Regionalplanung muss für die Ansiedlung in ihrem Flächennutzungsplan genügend Fläche als Industriegebiet vorgesehen haben. Das Bauamt muss die Baugenehmigung erteilen. Nach der Pensionierung von 3 Kollegen muss dort für Ersatz gesorgt werden.

Das bedeutet, die Ausbildung an den umliegenden Universitäten muss funktionieren oder der Arbeitsmarkt muss diese bereitstellen. Die künftigen Arbeitnehmer*innen müssen genügend bezahlbaren Wohnraum vorfinden, es braucht Kindergärten und Schulen, das Freizeit- und Kulturangebot sollte ansprechend sein usw. usw. 

An diesem kleinen Ausschnitt eines in Wahrheit noch viel größeren Szenarios wird deutlich, wie sehr eine Ansiedlungsentscheidung mit ganz vielen anderen regionalen Institutionen zusammenhängt bzw. davon abhängig ist.

Aus den oben skizzierten Gründen ist es notwendig, das Führungsverständnis im Unternehmen auch auf das regionale Ökosystem um das Unternehmen herum auszuweiten. Dadurch erkennen wir die tatsächliche wechselseitige Verbundenheit an und können im unternehmerischen Handeln dieser Erkenntnis gerecht werden. Und das auch noch im Sinne unserer Enkelkinder.

Übung

Stellen Sie sich vor, Sie seien Inhaber des Unternehmens, für das Sie als Führungskraft arbeiten und gleichzeitig tragen Sie die volle Verantwortung für die Stadt oder den Landkreis, in dem das Unternehmen bzw. der Standort seinen Sitz hat, wie würden Sie handeln?

Spielen Sie konkrete Beispiele Ihres Berufsalltags mit allen 6 Dimensionen der wertegeleiteten Führung durch und fragen Sie sich, wie würde ich als Inhaber und politisch Verantwortlicher entscheiden und führen?

Übrigens: diese Übung können Sie auch gemeinsam mit Ihren Kollegen und Kolleginnen aus Ihrem Führungsteam machen. Sie werden spannende Erkenntnisse der Unternehmensführung gewinnen!

Literatur

Claus Eurich: Führungskunst (2015)

Claus Otto Scharmer: Theorie U – von der Zukunft her Führen (2009)

Quellen:

Photo by Anastasia Petrova on Unsplash

Photo by Luke Helgeson on Unsplash

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