Der zweite Teil der Serie zur Kränkelnden bzw. Kranken Organisation dreht sich um die „falsche“ Strategie eines Unternehmens. Was eine Strategie krank macht, woran Sie das festmachen können und wie Sie andererseits Ihrer Zeit ein Stück voraus sein können und Wettbewerbsvorteile entwickeln können, finden Sie im folgenden Beitrag.
Krankt eine Strategie, bezeichnen wir diese als ausbeutend oder verschwenderisch. Beide Ausprägungen stellen die negativen Pole eines markt- und ressourcenorientierten und damit zukünftsfähigen Ansatzes (s. Abb. 1, Die Kranke Organisation) dar. Dass es auch anders geht, zeigen die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Einbindung von „Corporate Social Responsibility“ in die Organisationsstrategie.
Abb.1: Die Kranke Organisation
Das folgende Beispiel soll das verdeutlichen.
Stellen Sie sich vor, Sie sind im Management eines Online-Handels tätig. In den letzten Monaten haben Sie konsequent die Geschäftsentwicklung analysiert und festgestellt, dass andere Websiten deutlich stärker frequentiert werden und ihren Marktanteil erhöhen, während die Umsätze Ihrer Firma stagnieren und sogar leicht rückgängig sind.
Was tun Sie?
Sie verbessern Ihr Angebot. Wenn andere besser sind, liegt das in Ihrer Branche meist daran, dass diese eine breitere Produktpalette, günstigere Preise oder exklusivere Artikel anbieten. Der logische Schritt ist deshalb, ein „Benchmarking“ durchzuführen. Sie stellen aufgrund der Analyse fest, dass andere Online-Händler vor allem attraktivere Websiten haben und modernere Marken anbieten. Sie entschließen sich deshalb dazu, vor allem in diese beiden Bereiche zu investieren.
Doch halt! Sie wissen jetzt zwar mehr über Ihre Mitbewerber. Aber wie gut kennen Sie Ihr eigenes Unternehmen und Ihre Kunden? Vielleicht mögen Ihre Kunden die Webseite und Ihr Angebot ja. Allein der Vergleich mit den Wettbewerbern reicht nicht aus, um ein Symptom zu begreifen. Vielleicht bieten Sie ja einen ungenügenden Kundenservice oder die Kundenbestellungen werden oft verzögert geliefert. Oder die telefonische Erreichbarkeit ist schlecht, die Telefonkräfte sind unfreundlich oder kennen sich zu wenig aus (Stichwort „billige Arbeitskräfte“). Oder auf Ihrer Webseite fehlen Informationen, wo und wie Ihre Produkte hergestellt werden und wie wichtig Ihnen das Thema Nachhaltigkeit und „fairer Handel“ ist (Stichwort „CSR“).
Anstatt kurzfristig zu schnell eine falsche Entscheidung zu treffen, sollten Sie möglichst aus unterschiedlichen Perspektiven reflektieren, im oben genannten Beispiel vor allem aus der Kundenperspektive. Was sind Trends im Markt? Was denken und wollen Ihre Kunden? Wie können Sie Kundenerwartungen übertreffen?
Denken Sie vernetzt und berücksichtigen Sie dadurch die Wechselwirkungen, die durch Ihre Strategie entstehen können. Eine Strategie dient als langfristige Orientierung eines Unternehmens. Sie sollte folgende Fragen beantworten können: Warum existiert unser Unternehmen überhaupt und was ist sein Zweck? Wohin wollen wir gelangen – was ist unsere Idee für die Zukunft? Wie wollen wir handeln – welche Praktiken sollen uns dabei helfen?
Tatsächlich kann man in vielen Unternehmen erkennen, wie ausbeutende oder verschwenderische Strategien das Unternehmen falsch ausrichten und es – im schlimmsten Fall – langfristig wettbewerbsunfähig machen. Denken Sie an Schlecker, den Fall von VW mit der Dieselgate Affäre, dessen Folgen noch nicht wirklich absehbar sind oder ganz aktuell an die Dividendenpraktiken der Commerzbank (Stichwort „Cum-Cum-Deals“). Letztere möglicherweise legal, aber es bleibt ein „Gschmäckle“. Oftmals sieht man in der Praxis, dass sich Verantwortliche mit der Formulierung und der kritischen Reflexion der eigenen Unternehmensstrategie schwer tun. Die Lösung heißt dann häufig Wachstum. Nur wie? Zu jedem Preis? Wachstum ist im Grunde positiv, aber eben nicht um jeden Preis. Strategien mit dem einzigen Fokus auf Gewinnmaximierung zu Lasten der ökologischen und sozialen Verantwortung nennen wir deshalb ausbeutend.
Aber auch das Gegenteil kann krankmachen. Unter verschwenderischen Strategien verstehen wir Ansätze, bei denen mit den Unternehmens- oder natürlichen Ressourcen nur allzu leichtfertig umgegangen wird. Das kann beim laxen Umgang mit Reisekosten anfangen, über die unnötige Verschwendung von Energieressourcen bis hin zur mangelnden Nutzung des Mitarbeiterpotenzials gehen. Aus einem kränkelnden Zustand kann insbesondere dann eine Kranken Organisation werden, wenn nach außen hin die „Corporate Social Responsibility“ in Hochglanzfolien beschworen wird, die gelebten Organisationspraktiken aber völlig anders aussehen. Mitarbeitende nehmen diese Widersprüche wahr und identifizieren sich in der Folge immer weniger mit dem Unternehmen. In einer immer stärker vernetzten, digitalisierten und transparenten Welt, in der es eine Menge „whistle-blower“ gibt, ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis solche Praktiken nach aussen dringen und damit die Glaubwürdigkeit und Reputation im Markt gefährden. Dass eine gestörte Reputation im Zweifel lange braucht, um wieder zu gesunden, wissen wir spätestens seit den Qualitätsmängeln bei Jaguar aus den 60er Jahren.
Untersuchungen (Rivoli & Waddock, 2011) zeigen, dass sich CSR in einer Zeit-Kontext-Dynamik befindet, in der sich das Verständnis von CSR kontinuierlich erweitert. Was gestern noch verantwortungsmäßig neu war, wird heute zum Standard und ist morgen schon Erwartung. Unternehmen, die sich heute schon verantwortlicher verhalten als es die regulativen Standards vorschreiben, setzen neue Maßstäbe, die dann durch einen Institutionalisierungsprozess wiederum zum neuen Standard werden. Gesunde Organisationen haben dadurch nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern können darüber hinaus ihren Kontext beeinflussen, ihre Konkurrenz zu größerer Verantwortung führen und somit das gesellschaftliche und politische Verständnis von Verantwortung erweitern.
In Abbildung 2 können Sie erkennen, wie unternehmerische Verantwortung zu einer gesamtgesellschaftlichen Bewusstseinentwicklung beitragen kann. Aus der Abbildung wird deutlich, dass bei Kranken Organisationen „Corporate Social Responsibility“ entweder überhaupt nicht in die Organisationsstrategie integriert ist oder völlig unabhängig von dieser existiert. Bei diesen losgelösten CSR-Initiativen gaukeln die Unternehmen ihren Kunden einen verantwortlichen Unternehmenscharakter nur vor. Dieses recht weit verbreitete Verhalten wird gerne auch als „green-washing“ bezeichnet.
Abb. 2: Entwicklungsstufen strategischer „Corporate Social Responsibility“ in Organisationen
In Kränkelnden Organisationen wird CSR immerhin strategisch behandelt. Die unternehmerische Verantwortung wird aus der organisationalen Strategie abgeleitet, was dazu führt, dass Unternehmen sinnvolle, also unternehmens- und strategienahe Initiativen betreiben. Projekte werden unterstützt und Prozesse optimiert, die mit der tatsächlichen Wertschöpfungskette der Organisation zu tun haben. Allerdings wird Verantwortung auch hier eher aus marketingtechnischen oder Gewissensgründen betrieben, um möglicherweise unverantwortliche Aktionen wiedergutzumachen. Immer noch nicht optimal, aber bereits fortgeschritten ist die Entwicklungsstufe, in der sich CSR und Organisationsstrategie gegenseitig beeinflussen, CSR also einen tatsächlichen Effekt auf die Strategieentstehung nimmt. Das bedeutet, dass in der Gestaltung von Unternehmensprozessen und -projekten bereits von Beginn an auf einen verantwortlichen Umgang mit Mensch und Natur geachtet wird. Organisationen auf dieser Entwicklungsstufe sehen CSR nicht mehr als Marketinginstrument, sondern als Strategieelement und leben Verantwortung als unternehmerischen Wert.
In der Gesunden Organisation sind Strategie und Verantwortung vereint, die Strategie eines Unternehmens beruht implizit auf verantwortlichen Prinzipien. Tatsächlich müsste man bei der finalen Entwicklungsstufe nicht mehr von CSR sprechen, da es nicht mehr als ein eigenständiges Element behandelt wird. Vielmehr bedeutet Strategie dann auch gleichzeitig gesellschaftliche und ökologische Verantwortungrtung. Teilweise vermarkten Gesunde Organisationen ihre Verantwortung auch gar nicht, da sie und ihre „Stakeholder“, inklusive der Kunden, sich der verantwortlichen Prinzipien und Praktiken des Unternehmens bewusst sind und Verantwortung nicht als ein expliziter Faktor behandelt werden muss.
Balancierte Strategie
Um es am Ende auf den Punkt zu bringen: Es geht nicht darum, päpstlicher als der Papst zu sein. Alles immer zu 100% zu erfüllen und vollkommen politisch korrekt zu sein, wird sich im Unternehmensalltag schwer realisieren lassen. Wir sind alle Menschen, Menschen sind unterschiedlich, Menschen machen Fehler, sie wollen sich nicht in ein zu enges Korsett schnüren lassen. Machbar ist jedoch eine balancierte Strategie, in der CSR völlig integriert ist und die so ihren unterschiedlichen Anspruchsgruppen ernsthaft und glaubwürdig gegenüber tritt und diesen gerecht wird. Nur das ist auf lange Sicht wirklich wettbewerbs- und zukunftsfähig.