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Kakophonie rund ums Projektmanagement – Worauf Sie bei der Entscheidungsfindung achten sollten

Projektmanagement hat in den letzten Jahren Konkurrenz bekommen oder – je nach Lesart – eine bahnbrechende Erneuerung in fundamentalem Ausmaß erfahren. Im Managementdiskurs bürgert sich sehr deutlich die Unterscheidung in „agiles“ und in „klassisches“ Projektmanagement ab.

  • Betrachtet man das ständige Wachstum der Begriffslandskarte für einzelne Bausteine im Projektmanagement, drängt sich die Frage auf: Inwiefern wird die Unterscheidung zwischen agil und klassisch im Managementdiskurs überhaupt sachgerecht vorgetragen? Dabei fallen begriffliche Unklarheiten und konzeptionelle Unschärfen ins Auge. Die These: Künstliche, polarisierende Spaltung in zwei Denkwelten bei gleichzeitigem Jonglieren mit Begriffen erschweren sachgerechte Entscheidungen.
  • Was ist eigentlich agiles, was dagegen klassisches Projektmanagement?
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Wenn von Projektmanagement allgemein gesprochen wird …

sind meist standardisierte Vorgehensmodelle im Projektmanagement gemeint, die bereits etabliert waren, als von agilen Arbeitsweisen noch nicht die Rede war. Die Standards werden nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch und vor allem von anerkannten Institutionen wie dem PMI (Project Management Institute) oder Prince (Projects  IN  Controlled  Environments) weiterentwickelt. Seitdem Vorgehensmodelle mit dem Zusatz des „Agilen“ populär wurden, bürgern sich für das zuvor in Alleinstellung bekannte Projektmanagement Namenszusätze ein, wie z.B. „klassisches“, „konventionelles“ oder auch „traditionelles“. Ein Favorit, der auf breite Akzeptanz stößt, hat es noch nicht abschließend zum Durchbruch geschafft. „Klassisches“ Projektmanagement scheint aber weit verbreitet und ganz gut im Rennen um die Krone zu liegen. Klassisches Projektmanagement beschreibt den plangetriebenen Projektablauf. Dazu gehören typischerweise die PlanungDurchführung und Kontrolle aller zum Projekterfolg beitragenden Aktivitäten. Guter Standard ist die stringente Durchführung in klar beschriebenen und aufeinander aufbauenden Projektphasen. Die Bildsprache verwendet für das Vorgehen meist auch das Modell des Wasserfalls. Die immer häufiger verwendeten und oben genannten Namenszusätze sind hilfreich, aber nicht unproblematisch. In den Begriffen schwingt oft die falsche Assoziation des „gestrigen“, „veralteten“ oder „nicht mehr ganz zeitgemäßen“ mit. Zum anderen werden diese Begriffszusätze streng genommen den sogenannten „etablierten“ und „standardisierten“ Vorgehensmodellen vorbehalten. Mittlerweile existieren jedoch auch Zertifizierungsmöglichkeiten für agile Methoden wie Scrum. Somit kann Scrum auch als klassisch agiles Projektmanagement bezeichnet werden.

Standardisierte Vorgehensmodelle können folglich klassisch UND agil sein.

Begriffsklauberei ist gerade für die Praxis nicht zielführend. Von daher können Sie als Entscheider durchaus mit dem Begriff des „klassischen Projektmanagements“ operieren. In der Kommunikation in Ihrer Organisation sollten Sie sich allerdings der Tücken bei der Verwendung von „klassisch“ und Co.  bewusst sein. Lassen Sie sich dabei nicht ins Bockshorn jagen, wenn Mitglieder*innen der Fangemeinde von agilen Methoden wie Scrum oder Design Thinking sich den Anschein geben, moderner zu sein. Und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verunsichern nach dem Motto “Was, Ihr macht in Eurem Bereich noch klassisches Projektmanagement? Wir sind schon agil!“.

Als hätte das Jonglieren mit Begriffen nicht schon genügend Potential, für Irritation im Mitarbeiterkreis zu sorgen …:

Viele verwenden statt „klassisch“ gern den Begriff „Projektmanagement nach Wasserfall-Methode“. Die Crux ist hierbei, dass „Wasserfall“ als Gegenbegriff für „nicht agil“ zu kurz greift. Im Projektmanagement ist u.a. Simultaneous Engineering geübte Praxis. Bei entsprechend vorliegenden Bedingungen, z.B. Unsicherheit oder Fehlerrisiko werden zudem Iterationsschleifen zu voran gegangenen Phasen gezogen. Allein durch diese beiden Varianten verwischen die Grenzen zwischen „klassischem“ und „agilem“ Projektmanagement zusehends.

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Kakophonie lässt grüßen. Oder anders ausgedrückt, Verwirrung ist unbedingt zu vermeiden. Wichtig – wie in allen Management-disziplinen – ist, im Unternehmen für eine einheitliche Begriffswelt mit einem einheitlichen Verständnis zu sorgen.

Wenn von agilem Projektmanagement gesprochen wird …

fällt einem zunächst Scrum ein. Agiles Projektmanagement ist aber mehr als Scrum. Ursprünglich stammt die Idee des agilen Projektmanagements aus der Softwareentwicklung. Neuere Studien zeigen, dass inzwischen mehr als 30 % der Befragten agile Methoden auch außerhalb der IT nutzen. Agiles Projektmanagement kann als Vorgehensmodell betrachtet werden, in dessen Fokus Dynamik und Flexibilität stehen. Die Crux hierbei ist, dass sich das Vorgehensmodell nicht eindeutig definieren lässt. Es gibt vielmehr eine Vielzahl von Definitionsversuchen.

Neben dem Fokus auf Dynamik und Flexibilität enthalten alle Definitionen folgenden gemeinsamen Nenner:

  • Agile Projekte folgen keiner fixen Struktur. Sie können immer wieder angepasst und verändert werden.
  • Sie verzichten auf eine klare Zieldefinition zu Projektbeginn.
  • Im agilen Ansatz führen iterative Vorgehensweisen dazu, dass Änderungen an Anforderungen jederzeit erlaubt sind.

Somit lässt sich agiles Projektmanagement als ein Oberbegriff unterschiedlicher, agiler Projektmanagement-Methoden beschreiben.

Begriffswelten des agilen Projektmanagements und wie Sie damit umgehen können:

Was Praktiker und Praktikerinnen wenig erfreuen dürfte: Es mangelt nicht nur an einer einheitlichen Definition für agiles Projektmanagement. Auch die weitere Begriffswelt ist nicht einheitlich und eindeutig, sondern bunt und vielschichtig. Neben den im folgenden verwendeten Begriffspaaren „agile Praktiken“ und „agile Methoden“ finden Sie u.a. auch Begriffe wie „agile Ansätze“ und „agile Techniken“, „agile Frameworks“ oder „agile Strategien“. Manchmal drängt sich der Eindruck auf, als „agil“ wird alles bezeichnet, sofern es nur die Chance erhöht, die Aufmerksamkeit des Zuhörers zu steigern. Lassen Sie sich also nicht verwirren. Und: schicken Sie vor allem Ihre Mitarbeitenden nicht in die Verwirrung …

Agile Praktiken können Sie sich als Baukasten vorstellen, aus dem sich agile Methoden entwickelt haben und immer weiterentwickeln. Für den Baukasten als solches finden Sie auch den Begriff des Frameworksder im Zusammenhang mit agilen Projektmanagement häufig, im Zusammenhang mit klassischem Projektmanagement seltener bemüht wird. Als wichtige Praktiken gelten die Arbeit in interdisziplinären Teams sowie die regelmäßige Reflexion. Als Werkzeug der Reflexion ist die Retrospektive bekannt. Die User Story ist eine Praktik zur Darstellung von Produkt- bzw. Leistungsaufträgen. Schaut man aus der Perspektive des klassischen Projektmanagements auf agile Praktiken, erkennt man durchaus Werkzeuge wie das Teamfeedback oder das Pflichten-Lastenheft-Vorgehen, die unter neuem Namen etablierte Ideen weiterentwickeln. Agile Praktiken bilden die Grundlage für agile Methoden, von denen die zwei Populärsten hier kurz vorgestellt werden. Diese Methoden können klassische Methoden ergänzen. In der Diskussion finden Sie aber auch das Narrativ, dass diese das klassische Projektmanagement ersetzen und zukünftig ganz ablösen sollen. Nach dem Motto: „Die Zukunft ist agil“.

Agile Methoden setzen ihren Fokus auf die Einhaltung von wenigen, aber starken Strukturen. Hieraus ergibt sich ein deutlich gesetzter zeitlicher Rahmen, welcher sich in der Terminierung von Meetings und in der iterativen Arbeitsweise wiederfindet.

Beispiele: Scrum und Design Thinking

Ganz oben auf der Popularitätsskala agiler Methoden rangiert die Projektmanagementmethode Scrum (engl.: Gedränge). Um die Produktbereitstellung zu beschleunigen, strukturiert Scrum die Bearbeitung in 1- bis 4-wöchige Iterationen (Sprints), nach denen jeweils ein funktionierendes Produkt verfügbar sein soll. Scrum-Teams sind klein, interdisziplinär, und ihre Aufgaben für jeden Sprint werden von einem Product Owner ausgewählt.

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Die Design Thinking-Methode hilft, praxisnahekundenorientierte Lösungen zu finden. Der Prozess dieser Methode gliedert sich in Problemanalyse und Lösungsfindung. Hierdurch wird der Blickwinkel zunächst geweitet, indem die Beteiligten dem divergenten Denken den Vorzug geben. Danach schaltet das Team auf konvergentes Denken um und führt den Lösungsprozess wieder auf einen Punkt zusammen.

Wichtig: Das Beschäftigen mit dem Problem und die Lösungsfindung sind voneinander entkoppelte Phasen.

Der Design Thinking Prozess

Wie klassische und agile Methoden zusammenpassen können

Wo gibt es Ansatzpunkte dieser vorgestellten agilen Methoden zum klassischen Projektmanagement?
In einer Defizitbetrachtung könnte man meinen, Scrum fehlen wichtige Phasen des Wasserfallmodells, beispielsweise die Grob- und Feinplanung. Anders betrachtet kann man zum Schluss kommen, dass Scrum als sinnvolle Vorgehensalternative gerade in der Phase „Projektdurchführung“ genutzt werden kann. Wenn Sie sich das Design Thinking genauer anschauen, entdecken Sie Parallelen zu dem, was Sie als Methoden kreativer Problemlösung oder auch unter dem Problemlösezyklus von Kepner-Tregoe kennen.Die Beispiele verdeutlichen: Bei genauerem Hinsehen haben Sie Möglichkeiten, wie Sie klassische und agile Methoden gewinnbringend kombinieren können – anstatt im Ringen um Begriffe und um das scheinbar „Bessere“, weil „Modernere“, die Methoden und ihre Anwender*innen gegeneinander auszuspielen.

Fazit

Wer als Verantwortliche*r das Potential des Projektmanagements für das eigene Unternehmen voll ausschöpfen will, kann auf etablierte und funktionsfähige Vorgehensweisen zählen. Entscheidungsverantwortliche sollten jedoch damit rechnen, dass sie sich durch den Nebel von begrifflichen und konzeptionellen Unschärfen arbeiten müssen. Stellen Sie sich darauf ein, die – teils irritierende und häufig auch dysfunktionale – Begriffsvielfalt kritisch zu durchforsten. Definitionslücken und weite Interpretationsspielräume in den Konzepten sollten mit der notwendigen Gelassenheit zur Kenntnis genommen werden. Auch wenn es mit hohem kommunikativen Aufwand verbunden ist, lohnt es sich, bei der Auswahl unter den alternativen Konzepten und bei der Anwendung im eigenen Unternehmen für bestmögliche Klarheit zu sorgen. Projektleiterinnen und -leiter, Teammitglieder und letztlich alle im Unternehmen werden es zu schätzen wissen.

Zur Frage, woran Sie es festmachen können, ob Sie mit klassischem oder agilem Projektmanagement bessere Ergebnisse erzielen, lesen Sie den Blogbeitrag in vierzehn Tagen.

Quellen:

Angermeier, Georg: Traditionelles Projektmanagement. https://www.pro-jektmagazin.de/glossarterm/traditionelles-projektmanagement

Gloger, Boris; Margetich, Jürgen: Das Scrum-Prinzip. Agile Organisationen aufbauen und gestalten. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 2018

Komus, Ayelt; Heupel, Thomas:  GPM, Erfolgsfaktoren im Projektmanagement – eine evidenzbasierte Studie Hochschule Koblenz, 2015

Müller, Christian: Unterschied zwischen klassischen und agilen Projekten https://proagile.de/unterschied-klassisch-agil/

M. Institute: What is Project Management? https://www.pmi.org/about/learn-about-pmi/what-is-project-management

Preussig, Jörg: Agiles Projektmanagement, Haufe) 2. Auflage 2020

Ruland, Björn; Guillium, Lars: (HENDRIKS AGILE WERKZEUGE, 2020): HENDRIKS AGILE WERKZEUGE: Pocket-Guide zu agilen Werkzeugen und Begriffen, Darmstadt: 4craft GmbH, 2020

Schwaber, Ken; Sutherland, Jeff: Der Scrum Guide, 2020

Photo by Glenn Carstens Peters on Unsplash

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