Organisch, flach und adaptiv – so sehen die Organisationsmodelle der Zukunft aus. Da sind sich die meisten Experten einig. Die hierarchischen Organisationsstrukturen des Industriezeitalters funktionierten gut in planbaren Unternehmensumfeldern; in den dynamischen, komplexen und digitalisierten Kontexten der Neuzeit sind sie jedoch nicht nur dysfunktional, sondern kontraproduktiv. Während andere Unternehmen die Pyramide auf den Kopf stellen (siehe das Video mit dem dm-Verantwortlichen Erich Harsch), den Mitarbeitern Freiraum bieten und sich am Kunden orientieren, knirscht es im Getriebe der Kommando- und Kontrollzentralen vieler konservativer Konzerne und Mittelständler. Die Bewegung „Responsive Organisation“ (also „antwortende Organisation“, im Sinne von Reaktionsfähigkeit) will gerade diese Unternehmen beim strukturellen Wandel unterstützen. Unter dem Begriff „Responsive Organisation“ sammeln sich neue Organisationskonzepte wie Holakratie, Beyond Budgeting oder die Zellen-Organisation.
Schöne neue Welt – Der 4.0 Unternehmenskontext
Arbeiten 4.0, Industrie 4.0, Organisation 4.0 – Wir sind keine Fans von Versionierungen. Gerade beim Thema Arbeitswelt 4.0 wird oftmals keine klare Abgrenzung zur Version 3.0 oder 2.0 gezeichnet. Und was war 3.0 gleich nochmal? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales versucht in seinem Grünbuch „Arbeiten 4.0“ die Unterschiede dieser Versionen aufzuzeigen und für Klarheit zu sorgen (BMAS, 2015):
– Arbeiten 1.0: Industriegesellschaft
– Arbeiten 2.0: Massenproduktion und Wohlfahrtsstaat
– Arbeiten 3.0: Soziale Marktwirtschaft, Automatisierung und wachsender Dienstleistungssektor
– Arbeiten 4.0: Vernetzung, Digitalisierung, Flexibilisierung
Diese Unterscheidung hilft zwar weiter, doch sie lässt den Wandel sprunghaft aussehen – mal schnell von 3.0 zu 4.0. Was ist aber mit Version 3.1 oder 3.2, dem allmählichen Beginn des Umdenkens; oder der Version 3.3, der ersten Experimente und Fehler? Versionierungen tragen wenig Qualitatives zum Diskurs bei, wir sprechen lieber von Trends, Entwicklungen und kontextuellen Veränderungen. Auch die Versionierung von Unternehmensstrukturen macht wenig Sinn, geschieht der Wandel doch fließend und ist nicht greif- und messbar, auch aufgrund seiner kulturellen und sozialen Implikationen.
Neue Organisationsmodelle für neue Herausforderungen – Die „Responsive Organisation“
Die Bewegung der „Responsiven Organisation“ hingegen verliert sich nicht in Quantifizierung, sondern formuliert in seinem Manifest (Responsive Organization, 2017) die grundlegenden Prinzipien neuer Organisationsmodelle. Diese sind, im Gegensatz zu klassisch hierarchischen Strukturen, auf eine dynamische Umwelt angepasst. Dieses dynamische Umfeld wird bekanntermaßen mit dem Akronym „VUCA“ (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) umschrieben, so auch in der folgenden Grafik, welche die Unterschiede zwischen industriellem und VUCA Kontext für die Organisationsgestaltung aufzeigt. Die Prinzipien der agilen „Responsiven Organisation“ sind rechts in grün dargestellt. Es zeigt sich: die „Responsive Organisation“ arbeitet mit flachen Netzwerkstrukturen, „Empowerment“ kundennaher Mitarbeiter, agilen Prozessen, kontinuierlichem Experimentieren und hoher Transparenz.
Dies macht sie in einem digitalisierten, globalisierten, dynamisierten und unberechenbaren Unternehmensumfeld deutlich reaktionsfähiger und damit für alle Firmen zu einem Vorbild, die dem drastischen Wandel der letzten Jahre mit einem flexibleren und organischeren Organisationsmodell entgegentreten möchten. Die Veränderung in Richtung „Responsive Organisation“ ist ein ganzheitlicher Unternehmenswandel, denn alle Bereiche und Ebenen sind betroffen, wenn Firmen den Schritt in ein neues Zeitalter wagen.
Abbildung : Gegenüberstellung: industrieller vs. VUCA Kontext; Prinzipien der „Responsiven Organisation“, eigene Darstellung, basierend auf dem „Responsive Organization Manifesto“
Die „Responsive Organisation“ in der Praxis
Einige Unternehmen haben bereits in der Praxis die Erfolgsfähigkeit der agilen und adaptiven Organisation bewiesen: Valve, Zappos, Netcentric, Buurtzorg, dm, RWD Schlatter, allsafe Jungfalk, Gore & Associates, Premium Cola, Saint Gobain, Morning Star, Hema, Endenburg Elektrotechniek oder die frühere Semco Group sind Beispiele für Firmen, die große Teile der „Responsiven Organisation“ erfolgreich in der Praxis umsetzen. Der Vorteil des Konzepts der „Responsiven Organisation“ besteht darin, dass sie keine klaren Methoden oder Techniken vorschlägt, sondern dass sie die individuelle Interpretation der Prinzipien den jeweiligen Unternehmen überlässt. Dies ist sinnvoll, da die Idee der „Responsiven Organisation“ keiner Firma einfach übergestülpt werden soll, sondern reflektiert und situativ auf alle Bereiche einer Organisation angewandt werden kann.
Fazit:
Die Bewegung „Responsive Organisation“ ist nicht bahnbrechend neu oder spektakulär. Allerdings ist sie hilfreich, um dem aktuellen Paradigmenwechsel einen Rahmen zu geben. Neue Organisationsmodelle, flexible Strukturkonzepte und agile Prozessmanagementmethoden sprießen derzeit aus dem Boden. Die „Responsive Organisation“ gibt diesen Konzepten einen Kontext und klammert sie unter einem Begriff mit klaren Prinzipien zusammen. So hilft sie, dem unausweichlichen und nötigen organisationalen Wandel in Richtung Agilität, Partizipation und Dezentralisierung ein Gesicht und eine Struktur zu geben.