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Führen in der agilen Welt (6): „Peer-Feedback“

Wie Sie das Entwicklungspotenzial Ihrer Mitarbeiter durch Feedback auf Augenhöhe nachhaltig fördern können

Klassisches Feedback beschränkt sich oft auf die einmal jährlich stattfinden Mitarbeitergespräche, die aufgrund ihrer hierarchischen Struktur in Verruf geraten sind. In einer zunehmend individualisierten Arbeitswelt steht ein eindimensionales Unterrichten des Mitarbeiters über sein Leistungspotenzial durch die Führungskraft als Artefakt postindustrieller Unternehmenskultur zunehmend in der Kritik. Ein neuer Ansatz bezeichnet „Peer-Feedback“, das bei agilen Vorreitern (wie bspw. sipgate) bereits fest in den Arbeitsalltag integriert ist.

Lesen Sie im sechsten Teil unserer Serie, wie Sie mit dieser Methode einen auf Augenhöhe stattfindenden, konstruktiven und kontinuierlichen Austausch in Ihrem Unternehmen etablieren können.

Was ist „Peer-Feedback“?

Regelmäßiges und vor allem konstruktives Feedback ist und bleibt eine der wichtigsten Bausteine für die persönliche Entwicklung. Doch wie kann ein solches Feedback in agil strukturierten Unternehmen, die nur wenig Hierarchie kennen und einen hohen Grad an individueller Freiheit gewähren, gestaltet werden? Die Antwortet darauf lautet: durch „Peer-Feedback“.   
Der Begriff „Peer“ bzw. „Peergroup“ bezeichnet als Fachbegriff der Soziologie und der Sozialpädagogik das Konzept der primären, sozialen Bezugsgruppe eines Menschen, die maßgeblich dessen Lebenswelt prägt. Gleichbedeutend wird der Begriff auch als „Interessensgruppe“ verwendet, der eine Verbindung von Menschen für eine bestimmte Zeit durch gleiche Interessen beschreibt, wie den Mitarbeitern in einem Unternehmen. Nach diesem Konzept charakterisieren sich „Peer-Groups“ durch das konstitutive Prinzip der Gleichrangigkeit, indem sie sich auf Augenhöhe begegnen und sich in Wissen, Können und Entscheidungsbefugnissen nicht wesentlich unterscheiden. Demnach ist der Feedback-Geber nicht länger die Führungskraft, sondern eine individuell zusammengestellte „Peergroup“. Mitarbeitern geben Mitarbeitern Rückmeldung über ihre Stärken und Schwächen mit dem Ziel eines kontinuierlichen Feedbackprozesses, der auf einen zeitnahen und fachlichen Austausch abzielt.

peer-feedback

Wie funktioniert „Peer-Feedback“?

Für die „Peer-Feedbackmethode“ existieren keine festen Regeln, nach denen der Prozess gestaltet werden soll. Prinzipiell sind einige Kernaspekte zu beachten, die einen großen, individuellen Gestaltungsfreiraum gewährleisten. Auf der Grundlage unserer Erfahrungen und des Unternehmens Sipgate haben wir die wichtigsten Punkte für Sie zusammengestellt:

Der Feedback-Nehmer stellt je nach Bedarf eine Anfrage an 3-5 Personen, von denen er sich eine Beurteilung seines Leistungspotenzials wünscht. Der Zeitpunkt kann hier frei gewählt werden, jedoch erweist es sich als besonders sinnvoll nach größeren Ereignissen, beispielsweise nach Abschluss eines Projektes, ein „Peer-Feedback“ einzufordern.

Ein standardisierter Fragebogen, der allen im Unternehmen zur Verfügung steht, kann als Grundlage zur Datenerhebung eingesetzt werden. Prinzipiell besteht aber auch die Möglichkeit, eine Feedbackrunde ohne Fragebogen durchzuführen. Der Feedbacktermin an sich kann als Einzel- oder Gruppentermin angesetzt werden.

Zwischen der Einladung und dem Termin sollte ein Zeitraum von ungefähr 2 Wochen eingeplant werden, damit die Feedback-Geber sich auf das Gespräch vorbereiten können. Falls ein Fragebogen zum Einsatz kommt, braucht es erfahrungsgemäß ca. 4 Wochen Zeit, bis alle die Fragen beantwortet haben, der Report zugestellt wurde und sich alle auf das Gespräch vorbereiten konnten.

Um möglichst neutral und wirksam das Feedbackgespräch moderieren zu können, sollte ein interner oder externer Moderator zur Unterstützung des Prozesses zur Verfügung stehen. Je nach Reifegrad der Organisation und ihrer Mitglieder kann dies immer stärker in der Folge in „interne Hände“ übergeben werden.

Zur Vorbereitung auf die Feedbackrunde können vom Moderator (oder Feedback-Nehmer) Leitfragen formuliert werden, die den Rahmen des Feedbacks genauer definieren, beispielsweise:

  • Wo siehst du mein Entwicklungspotenzial?
  • Welche meiner Stärken schätzt du besonders?
  • Was macht mich in deinen Augen einzigartig für das Unternehmen?
  • Was fandest du an unserer Zusammenarbeit beim Projekt XY besonders hilfreich?
  • Wo siehst du hier Verbesserungsmöglichkeiten?

Auch der Feedback-Nehmer bereitet sich auf den Termin vor, indem er/sie sich Gedanken zum Ablauf und seiner eigenen Selbstwahrnehmung macht. Sinnvoll ist es, zum Einstieg die persönliche Intention darzustellen, und Offenheit und Vertrauen in die Feedback-Nehmer zu signalisieren. Die Feedback-Nehmer sollten selbst möglichst wenig kommentieren oder sich gar für ihr Verhalten rechtfertigen, sondern eine eher passive aber dafür aufmerksame Zuhörerrolle einnehmen. Nachfragen zum Verständnis sind erlaubt.

Und nach dem „Peer-Feedback?

In Zeiten von selbstbestimmtem, agilem Arbeiten ist die zeitnahe Rückmeldung zur persönlichen Leistung zweifelsohne eine wichtige Informationsquelle zur Entfaltung des eigenen Potenzials. Doch Feedback allein erzeugt noch keine Entwicklung, sondern kann lediglich Hinweise und Anreize zu deren Gestaltung geben. So beginnt nach dem Feedback die eigentliche Arbeit, nämlich die Entwicklung in Gang zu setzen. Viele stellen sich an dieser Stelle die Frage, wie sie die Informationen aus den Feedbackrunden verarbeiten sollen, bzw. „Wie kann ich denn überhaupt in meinen praktischen Arbeitsalltag meine Stärken effektiver einsetzen? Wie kann ich strukturierter an meine täglichen Aufgaben herangehen und so meine Leistung verbessern?“

Immer dann ist es von besonderer Bedeutung, den Mitarbeitern eine Art „persönlichen Entwicklungsbegleiter“ an die Seite zu stellen, die ihnen Schritt für Schritt zeigen, wie sie ihr persönliches Potenzial optimal entfalten können. Einen solchen Entwicklungsbegleiter können die Mitarbeiter beispielsweise aus dem Kreis der Führungskräfte auswählen, die dann im Sinne eines Coachs die Zuständigkeit für ihren Entwicklungsprozess übernehmen. Alternativ können auch Mitarbeiter zu Entwicklungsbegleitern gewählt werden, wenn sie über die entsprechende Motivation und Kompetenz verfügen. Auf diese Weise wird ebenfalls deutlich, wen die Mitarbeiter als geeignete Führungspersönlichkeit ansehen. Sie können so eine Art indirektes Feedback an die Führungsebene zurückgeben.

Ideal wäre darüber hinaus die Einbeziehung von (echten) Kunden, bspw. durch einen Fragebogen oder eben direktes Erfragen von Feedback. Denn: auch Peer-Feedback sollte nicht zur eigenen Nabelschau dienen, der Blick sollte in erster Linie immer nach außen zum Markt und zum Kunden gerichtet sein.

Fazit

„Peer-Feedback“ stellt eine agile und konstruktive Alternative zum eindimensionalen und hierarchisch strukturierten Mitarbeiterjahresgespräch dar. Die Wirksamkeit der Methode hängt sicherlich vom Reifegrad und der Kultur der Organisation und seiner Mitglieder ab.

Arbeitsbezogenes Feedback aus dem eigenen Kollegenkreis ist besonders wertvoll, da dieses ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstorganisation voraussetzt. Auch kann im Vergleich zum Mitarbeitergespräch von einem multidimensionalen Feedback gesprochen werden, da mehrere Personen aus unterschiedlichen Kontexten die Leistung eines Einzelnen beurteilen. Der gleichrangige Austausch unter den Mitarbeitern führt zu einer Steigerung der Selbstreflexion und  fördert deren Kommunikation.

Idealerweise wird das Peer-Feedback um das Feedback von Kunden erweitert.

(Redaktionelle Umsetzung: Corinna Brucker)

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