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Digitalisierung in HR – Chance oder Dilemma?

Wie die Digitalisierung die Arbeitswelt 4.0 verändert

Bereits vor einigen Monaten beschäftigten wir uns in einer Notiz mit dem digitalen Wandel und der neuen Arbeitswelt. Unser Fazit damals: Bei digitalem Wandel nur an die Einführung neuer Hard- und Software innerhalb des Unternehmens zu denken, greift zu kurz. Der digitale Wandel bedingt auch einen soziokulturellen gesamtorganisationalen Wandel, in dem die Nutzung digitaler Mittel und die Auseinandersetzung mit innovativen Möglichkeiten innerhalb des Unternehmens sowie dem Handeln und Denken seiner Mitarbeiter verankert wird. Klar ist deshalb: HR muss eine Schlüsselrolle in der Vernetzung von Digitalem und Analogem einnehmen, um diese soziokulturelle Innovation mitzugestalten. In dieser Notiz wollen wir die Chancen und Risiken des digitalen Wandels aus HR-Perspektive analysieren.

Das Bundesarbeitsministerium beschäftigt sich im Dialogprozess „Arbeiten 4.0“ mit der Digitalisierung der Arbeitswelt (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2015). Ende des Jahres erwarten wir vom Ministerium klare Empfehlungen zur Arbeitsgestaltung. Einen kurzen, romantischen Einblick in die Arbeitswelt 4.0 gibt uns das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in einem Video, welches erläutert, wie wir in zehn Jahren arbeiten und leben werden (Fraunhofer IAO, 2012). Auch hier zeigt sich, dass HR den Wandel des Arbeitsumfelds unterstützen und fördern, gleichzeitig aber in der Implementierung neuer Arbeitsweisen strategisch und reflektiert handeln muss. Denn: Nicht alles was möglich ist, ist auch sinnvoll. Mit Hilfe einer verkürzten SWOT-Analyse zum Thema digitaler Wandel & HR wollen wir vor allem „Opportunities“ (Chancen) und „Threats“ (Risiken) beleuchten, die beide kontextuell bedingt sind. Die SWOT-Analyse ist ein Instrument, welches Ihnen im Praxisalltag eine grundsätzliche Einschätzung Ihrer Stärken und Schwächen im digitalen Bereich sowie der sich daraus ergebenden Chancen und Risiken in Ihrem Unternehmensumfeld erlaubt.

Chancen: In jedem Fall bietet der digitale Wandel fantastische Möglichkeiten für HR. Betrachten wir die klassischen Rollen des Personalwesens, welche vor allem in der Administration liegen, so zeigt sich: Die typisch transaktionalen HR-Prozesse wie Personalverwaltung, Rekrutierung, Arbeitszeugniserstellung, Gehaltsmanagement etc. können prinzipiell automatisiert bzw. teilautomatisiert werden. Aber ist nicht dies gerade eine Gefahr für HR? Wir denken nicht. HR kann hier aus seiner administrativen Funktion herauswachsen und sich mit ganzheitlicheren Themen der Organisationsentwicklung beschäftigen. Der Aufbau adaptiver Strukturen und agiler Prozesse kann in den neuen Kernbereich einer Personalabteilung im digitalen Zeitalter rücken. Das ist vielversprechend, denn so wird aus einem „Human Resources“-Team möglicherweise ein „Human Relations“-Team, wie zum Beispiel letztes Jahr bei Continental geschehen (Weibacher, 2015). HR schlüpft aus der Rolle einer „grauen Maus“ und kann sich aktiv in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen auf die Entwicklung einer digitalen Gesunden Organisation fokussieren. Davon profitiert das Gesamtunternehmen, denn HR wird zum Gestalter einer gemeinschaftlichen Kultur, zum Entwickler leistungsfähiger Mitarbeiter, zum Moderator von organisationsweiten Beziehungen auf Augenhöhe sowie zum Unterstützer des organisationalen Wissensaustauschs. HR entlastet dadurch die Digitalisierung ungemein und erlaubt eine Neukonfiguration des Personalwesens hin zur strategischen, strukturellen und kollaborativen Treibkraft. Voraussetzung hierfür ist eine enge Zusammenarbeit mit der IT, um die nötigen Prozesse zu gestalten, Wissen und Fertigkeiten zum Umgang mit automatisierten Vorgängen aufzubauen und die grundlegende Personal-IT-Struktur effizient, aber eben auch adaptiv zu betreiben. Daher müssen klassische HR-Systeme transparenter, offener und kollaborativer werden. Durch soziale Netzwerke, „Gamification-Tools“ oder per App können Mitarbeiter einfach Zugriff auf relevante Daten erhalten, Feedback verteilen und sich austauschen. Eine elektronische Kollegenbewertung, wie bei der Frankfurter Videospielfirma Crytek, oder ein kollegengesteuertes Belohnungssystem, wie bei der IT-Firma Symantec, funktionieren bereits heute erfolgreich (Gillies, 2013). HR wird dadurch zum Gestalter einer selbststeuernden Organisation, in der die HR-Funktion zentral für die Unterstützung von Mitarbeitern und interfunktionalen Wissensaustausch, aber auch peripher in Kundennähe für gezielte Mitarbeiterentwicklung, Teamzusammensetzung und Entwicklung adaptiver Strukturen verantwortlich ist. Darüber hinaus kann durch die Digitalisierung auch die Führungskräfteentwicklung verstärkt in den HR-Fokus rücken, denn HR wird in Zusammenarbeit mit der IT die Verantwortlichen auf ihre neue Führungsrolle vorbereiten sowie deren Digitalkompetenz stärken. Mehr zu neuen Führungsrollen in agilen Organisationen finden Sie in unserem Fachbuch „Führen in der Gesunden Organisation“, welches 2016 im Schäffer-Poeschel Verlag erscheint.

Risiken: Ohne Frage bringt der digitale Wandel auch Risiken für das Personalwesen mit sich. Denn verschläft HR die digitaler Wandel der Organisation, so läuft sie Gefahr, ihr selbst zum Opfer zu fallen. In der Tat werden administrative HR-Aufgaben automatisiert und die Relevanz von Personalverwaltern schrumpft. Andere Funktionen und Teams werden sich in den Fokus der digitalen Organisationsentwicklung drängen und die Kompetenzen des Personalwesens zunehmend abgebaut. Daher gilt auch: Schafft es HR nicht, die nötigen Kompetenzen zu entwickeln und den gesamtorganisationalen Wissensaufbau zu unterstützen, um Digitalisierung soziokulturell zu verwurzeln, so schadet die Abteilung dem ganzen Unternehmen in all seinen Facetten. Denn HR trägt einen großen Teil der Verantwortung in Fragen der Organisationsentwicklung und -anpassung. Ignorieren Personaler die Relevanz digitaler Märkte und Arbeitskontexte, leidet darunter der gesamte Wertschöpfungsprozess des Unternehmens, da Strategie, Strukturen, Prozesse, Kultur und Mitarbeiter nicht entsprechend auf neue Anforderungen eingehen können und die Organisation in einem digitalen Umfeld an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Eine weitere Gefahr für HR ist die Falle der Überforderung: Der enorme Anstieg der Komplexität und Quantität von Daten und Systemen bringt eine entsprechende Lernherausforderung mit. Personaler tun deshalb gut daran, wenn sie sich intensiv mit neuen Arbeitsumgebungen, Anstellungsverhältnissen, (virtuellen) Führungsmethoden, IT-Modellen, Datenpolitik und digitaler Diversität auseinandersetzen, um die eben beschriebenen Risiken zu vermeiden und die oben genannten Chancen realisieren zu können.

Fazit: Arbeiten 4.0 kommt – und zwar schneller als mancher HR-Bürokrat glauben mag. Daher liegt es am Personalwesen selbst, proaktiv zu handeln und digitaler Wandel als großartige Möglichkeit für die eigene Funktion sowie die Gesamtorganisation zu verstehen. Denn Personaler bekommen jetzt die Chance, eine strategisch leitende Rolle in der Organisationsentwicklung einzunehmen, eine Chance, die sie nicht verpassen sollten.

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