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Die Rückkehr ins Büro – Teil 3

Raum für Persönlichkeiten

„The New Normal“ – Wie sieht die Arbeitswelt nach der Pandemie aus? Was lernen Unternehmen und Mitarbeiter*innen aus der langen Homeoffice-Phase, der rein virtuellen Zusammenarbeit und den leerstehenden Büros?

Auch wir bei REFLECT setzen uns intensiv mit dieser Frage auseinander – und haben u. a. in der Notizenreihe „Die Rückkehr ins Büro“ aufgezeigt, dass hybrides Arbeiten durch Teams statt durch die Managementebene organisiert werden sollte, und dass bei der Wahl des richtigen Arbeitsplatzes überlegt werden muss, welcher Arbeitsmodus sinnvoll ist, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Nun gehen wir noch einen Schritt weiter. Denn: Bei der Wahl des passenden Arbeitsortes gilt es auch, individuelle Lebensumstände und Persönlichkeitstypen zu berücksichtigen.

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Letztlich möchten wir dazu beitragen, dass die Diskussion um die Rückkehr ins Büro differenzierter geführt wird, und Unternehmenslenker*innen verstehen, dass es in der Frage nach dem Arbeitsort keine rigiden Unternehmensvorgaben braucht, sondern Verantwortungsabgabe an Teams sowie Ausbildung dieser Teams und ihrer Führungskräfte – z.B. zu Arbeitsmodi und zu Arbeitstypen.

Wie individuelle Lebensumstände die Leistung und Zufriedenheit im Homeoffice beeinflussen

Wollen Unternehmen aus der Pandemie und der daraus entstandenen Homeoffice-Phase etwas lernen, lohnt ein Blick in Richtung Wissenschaft. Ein Forschungsteam der TU Darmstadt untersuchte, wie sich der Arbeitsort auf Zufriedenheit, Produktivität, Motivation, Work-Life-Balance und Arbeitseinsatz auswirkt. Besonders interessant finden wir, welche Rolle dabei individuelle Lebenssituationen spielen. So zeigt beispielsweise, dass alleinstehende Mitarbeiter*innen im Homeoffice deutlich weniger zufrieden sind als verheiratete Menschen.

Für junge Menschen ist die lange Zeit im Homeoffice ebenfalls schwerer als für ältere Mitarbeitende. Diese haben im Homeoffice wiederum einen höheren Arbeitserfolg als ihre jüngeren Kolleg*innen. Wenig überraschend tun sich gewissenhafte und verträgliche Persönlichkeitstypen im Homeoffice leichter als extravertierte Persönlichkeiten.

Große Arbeitsplätze im Homeoffice, mehr Zimmer und eine dezentrale Wohnungslage sind räumliche Faktoren, welche die Zufriedenheit im Homeoffice stark beeinflussen können.

Was lernen wir daraus? Will ein Unternehmen den Arbeitserfolg über den Arbeitsort optimieren, so macht es keinen Sinn, eine pauschale Regelung festzulegen. Die Darmstädter Studie zeigt, wie individuell und situativ Arbeitserfolg im Homeoffice tatsächlich ist. Eine unternehmensweite Quote an Büro- vs. Homeoffice-Tagen ist also wenig zielführend. Sie schafft zwar vermeintliche Klarheit, hemmt aber die Potenzialentfaltung.

Eine kurze Einführung zu Persönlichkeitstypen

Um Potenziale – auch mittels Arbeitsort – zu entfalten, ist es also wichtig zu verstehen, wie Menschen ticken und wo sie ihre beste Leistung erbringen können. Um Persönlichkeiten zu erkennen und zu differenzieren, nutzen wir meist INSIGHTS MDI, ein Diagnostikinstrument, welches helfen soll, Talente und Potenziale in Menschen zu identifizieren. Wie bei allen Persönlichkeitsdiagnostikinstrumenten gilt auch hier: Kein Instrument kann eine Persönlichkeit in all ihren Facetten abbilden. Vielmehr dienen uns Werkzeuge wie dieses dazu, grundlegende Persönlichkeitstypen zu erkennen, vereinfacht zu kategorisieren und zu beschreiben. Bei diesem Modell werden vier Dimensionen unterschieden:

1) Introversion versus Extraversion
2) Denken versus Fühlen
3) Intuition versus Sensitivität
4) Wahrnehmen versus Bewerten

INSIGHTS konzentriert sich auf die ersten beiden Dimensionen. Aus diesen ergibt sich eine Matrix mit vier Quadranten. Jedem Quadranten ist eine Farbe zugeordnet, die das Verhaltensmuster eines Persönlichkeitstyps beschreibt. Weiter differenziert wird diese Darstellung durch eine Vermischung und Kombination der benachbarten Persönlichkeitstypen, sodass sich 4 weitere Typen ergeben. In Summe bilden sich dadurch 8 grundlegende Persönlichkeitstypen. Nun stellt sich nur noch die Frage …

 

In welcher Arbeitsumgebung fühlt sich welcher Persönlichkeitstyp am wohlsten?

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„Blaue“ Persönlichkeitstypen können eher als vorsichtig, besonnen, hinterfragend, strukturiert und zurückhaltend charakterisiert werden. Sie bevorzugen deshalb eher Rückzugsorte, um in Ruhe arbeiten und nachdenken zu können, bevor sie Entscheidungen treffen. Ein lautes Großraumbüro ist daher eher hinderlich für die Potenzialentfaltung dieses Persönlichkeitstyps. „Blaue“ Persönlichkeitstypen benötigen also häufiger bzw. länger Arbeitsabschnitte in Einzelbüros, „Denkzellen“ oder eben im Homeoffice. Mit einem Multispace-Büro können Sie es schaffen, Mitarbeitenden dieses Persönlichkeitstyps Rückzugsmöglichkeiten vor Ort zu schaffen. Bei hybriden Lösungen sollten Sie Rücksicht darauf nehmen, dass „blaue“ Typen ausreichend Homeoffice-Zeiten, oder im Multispace eben Stillarbeitszeiten, haben können.

Ganz im Gegenteil zu „roten“ Persönlichkeitstypen. Diese agieren häufig extravertiert. Kennzeichen sind ein eher forderndes, entschlossenes und willensstarkes Auftreten. Meist scheuen sie Konflikte nicht und stehen auch gerne mal im Rampenlicht. Deshalb sind eher große Büroflächen mit Teamarbeit empfehlenswert, da sie positive Reibungspunkte benötigen, um sich weiterzuentwickeln. Im Homeoffice hingegen können sich diese Persönlichkeiten nur teilweise entfalten.

Die mit „gelb“ gekennzeichneten Persönlichkeitstypen sind eher umgänglich, offen, enthusiastisch und redegewandt. Sie schätzen die enge Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen. Ihre Kreativität lässt sich durch einen engen Austausch entsprechend entfalten. Für diesen Persönlichkeitstyp wäre ein Einzelbüro oder zu viel Homeoffice eher eine Strafe und leistungsmindernd, da sie den Umgang mit Menschen genießen und auch die Kaffeeecke und den Flurfunk als Orte des Austauschs und der Co-Kreativität benötigen.

„Grüne“ Persönlichkeitstypen agieren oft vertrauensvoll, geduldig und entspannt. Sie bevorzugen einen klaren äußeren Rahmen und ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe. Deshalb ist eine konkrete Regelung hinsichtlich der Homeoffice-Tage und der gemeinsamen Arbeitsorganisation von Vorteil. Als Arbeitsorte kommen eher ruhigere Orte in Frage, in denen man sich gut zu zweit unterhalten oder sich auch zum konzentrierten Arbeiten zurückziehen kann.

Generell gilt: Verfügen Sie schon über ein Multispace Büro, können Sie nahezu allen Persönlichkeitstypen eine ideale Arbeitsumgebung bieten, da ja die Wahl unterschiedlichster Arbeitsorte möglich ist. Zu klären ist im Multispace Konzept jedoch die Frage, inwiefern die Arbeitsplätze nonterritorial sein sollen, damit das Konzept funktioniert. Nonterritorial bedeutet, dass es keine festen Arbeitsplätze gibt. Multispace Konzepte sind normalerweise nonterritorial, was für manche Persönlichkeitstypen – insbesondere den eher Introvertierten (blau, grün) – zu Unzufriedenheit durch fehlende Privatsphäre führen könnte.

Wie können Sie Persönlichkeitstypen identifizieren und geeignete Arbeitsorte finden?

Keine Bange. Niemand erwartet von jeder Führungskraft, ihre Mitarbeitenden psychologisch zu evaluieren. Vielmehr gilt hier das alte Prinzip: Hören Sie ihren Mitarbeiter*innen aktiv zu. Suchen Sie Einzelgespräche, schaffen Sie einen sicheren Rahmen und fragen Sie nach, welche Arbeitsorte ihre Gesprächspartner*innen aus welchen Gründen bevorzugt – und wo sie sich am produktivsten, kreativsten, konzentriertesten, wohlsten fühlen – ohne dass Sie die Antworten durch Suggestivfragen selbst erzeugen.

Auf Basis eines solchen Gesprächs, kombiniert mit Ihrem Wissen zu Persönlichkeitstypen aus dieser Notiz, können Sie sich ein Bild machen, wo und wie ihr Team arbeiten könnte, um seine Ziele zu erreichen. Teilen Sie diese Erkenntnisse im Team und lassen Sie das Team das Problem lösen, wo wie gearbeitet wird. Moderieren Sie den Dialog und schauen Sie zu, dass individuelle Bedürfnisse geäußert werden.

Sicherlich kann nicht jedes individuelle Bedürfnis berücksichtigt werden – aber: Diese selbstorganisierte Variante ermöglicht ein intensives und ehrliches Eingehen auf Persönlichkeitstypen und fördert damit Potenzialentfaltung und Teamleistung. Auch entwickelt sich ein Team durch diesen Dialog schneller zu einem eigenverantwortlichen, unternehmerisch denkenden Team.

Fazit

Die Varianz an Arbeitsorten, Arbeitsmodi und Persönlichkeitstypen eröffnet für Unternehmen, Führungskräfte und Teams ganz neue Hebel zur Selbstorganisation, Potenzialentfaltung und Leistungssteigerung, die in der Vergangenheit nur selten eine Rolle spielten. Zum Glück müssen Sie keine psychologische Ausbildung haben, um diese Potenziale zu heben. Vielmehr reicht ein differenziertes Verständnis von Persönlichkeitstypen, eine coachende Führungshaltung und eine geschickte Moderation des Teamdialogs aus, um die Teamleistung aus dem Team heraus zu steigern.

Der Fakt, dass laut einer DAK Studie 56 % der Befragten angeben, im Homeoffice produktiver zu sein als im Büro, heißt übersetzt doch nur: Arbeitsorte haben einen Einfluss auf Produktivität. Und dieses Wissen gilt es zu nutzen! Und zwar nicht, indem Sie bürokratische Arbeitsortvorgaben machen, sondern indem Sie und Ihr Team bei der Suche nach den passenden Arbeitsorten auf die wesentlichen Arbeitsmodi und Arbeitstypen eingehen.

Quellen:
Pfnür, Gauger, Bachtal & Wagner (2021): Homeoffice im Interessenkonflikt. Ergebnisbericht einer empirischen Studie. In: Andreas Pfnür (Hrsg.), Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis, Band Nr. 41, Technische Universität Darmstadt.

DAK-Gesundheit (2020): Digitalisierung und Homeoffice in der Corona-Krise. Sonderanalyse zur Situation in der Arbeitswelt vor und während der Pandemie

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