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Die fünf Kardinalfehler beim Kulturwandel

Im Zuge skandalverdächtiger Managementpraktiken gewinnt das Konzept der Unternehmenskultur an Bedeutung. Diagnosen von „mangelnder Unternehmenskultur“ und „fehlender Führungskultur“ sind nicht nur Weckrufe, sondern stehen direkt mit dem Wertverlust von Unternehmen in Verbindung. Doch nur den wenigsten Organisationen scheint ein nachhaltiger Kulturwandel zu gelingen.

Was sind die fünf Kardinalfehler, die Führungskräfte beim Umgang mit der Herausforderung Kulturwandel begehen?

Wir geben Ihnen Handlungsempfehlungen, die einen nachhaltigen Erfolg im kulturellen Wandel ermöglichen.

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Fünf Fehler, die zum Scheitern beim Kulturwandel führen

  1. Initiatoren unterschätzen den Einfluss von Aktionismus und Kulturblindheit.
  2. Das Management versäumt es, ein tragfähiges Commitment zu schaffen.
  3. Führungskräfte setzen sich halbherzig mit der gelebten Kultur auseinander.
  4. Die Formulierung des Kulturanspruchs ist unprofessionell.
  5. Chefs lassen den Kulturwandel von anderen umsetzen.

Wer sich die Tragweite der Aufgabe kultureller Turnaround genauer anschaut, stößt auf eine Reihe absehbarer Schwierigkeiten. Die Erkenntnis, dass eine Verordnung von oben für den Kulturwandel ganz und gar nicht ausreicht, hat sich unter Führungskräften längst herumgesprochen. Die Erfahrung, dass der Kulturwandel mit der Hand in der Hosentasche nicht zu bewältigen ist, müssen Initiatoren jedoch immer wieder neu machen.

Ob zahlenaffiner Finanzmanager, technikbegeisterter Konstruktionschef oder umsatzgetriebener Vertriebsvorstand: Beim Kulturwandel setzen sie auf minimalinvasive Maßnahmen mit kurzer Halbwertszeit. Die Hoffnung auf schnellen Erfolg überstrahlt das Wissen, dass eine nachhaltige Strategie für den Wandel unabdingbar ist. Das Scheitern eines Kulturwandels lässt sich auf fünf wesentliche Fehlerquellen zurückführen, die ein interdependentes Wirkgefüge erzeugen.

Fehler 1: Initiatoren unterschätzen den Einfluss von Aktionismus und Kulturblindheit

Ausschlaggebend für den Erfolg des Kulturwandels ist die Kompetenz der verantwortlichen Führungskräfte, die kulturelle Veränderung zu steuern. Diese Erkenntnis erscheint auf den ersten Blick trivial. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch: Die Frage nach dieser Kompetenz wird erst gar nicht gestellt. Ein schwerwiegender Fehler, der in allen Phasen des Change-Prozesses seine toxische Wirkung entfaltet.

Worin liegt das Problem?

Man kann sich die Verteilung der Kompetenz wie eine Arena mit mehreren Feldern vorstellen. Mit Gegenwind für den Kulturwandel sollten professionelle Kulturgestalter aus zwei Richtungen rechnen:

– Manager, die kulturellem Aktionismus zuneigen, beschäftigen sich nur dann mit der Aufgabe, wenn sie es für opportun halten oder wenn es ihre Prioritätenliste gerade zulässt.

– In Kulturblindheit gefangene Chefs können den schwer greifbaren Kulturvariablen wie Verhaltensreflexion oder Werten nichts abgewinnen.

Das Fehlerrisiko, das schon vor Beginn des eigentlichen Change besteht, liegt darin, dass die Initiatoren die zu erwartende Streuung der Kompetenzen in den Feldern der Kulturarena ausblenden. Die Folge: Sie gehen von völlig falschen Annahmen bezüglich der Veränderungsfähigkeit der Organisation und des Zeitbedarfs aus. Wegen des unsicheren Fundaments verfehlen Maßnahmen ihre Wirkung.

 

Was hilft?

Zunächst ist es wichtig, ein ehrliches Bild von der Ausgangslage und den Konsequenzen zu zeichnen: Kulturelle Aktionisten werden Strohfeuer entzünden, von denen außer Kurzfristeffekten keine oder sogar kontraproduktive Wirkungen auf die Kultur ausgehen. Kulturblinde hemmen mit ihrem völligen Unverständnis den kulturellen Wandel, wo immer sie können.

Schritt zwei besteht darin, die richtigen Schlussfolgerungen aus der Ausgangslage zu ziehen. Zweckoptimismus oder schnelles Vorpreschen helfen wenig. Erfolgsversprechender ist es, Fähigkeiten zu entwickeln wie „Verstehen helfen“, „Reflektieren ermöglichen“, „Einsicht vermitteln“ oder „Zusammenhänge erklären“. Den für den Wandel verantwortlichen Führungskräften muss es ermöglicht werden, zu lernen. Das braucht bekanntlich Ernsthaftigkeit, Tiefgang und Zeit.

Fehler 2: Das Management ver­säumt es, ein tragfähiges Commit­ment zu schaffen.

Kulturgestaltung, so zeigen alle Erfahrungen, braucht Commitment. Um die Aufgabe Kulturwandel zu stemmen, müssen möglichst viele Beteiligte die besondere Qualität des affektiven Commitments, also der emotionalen Verbindung zur Aufgabe, mitbringen.

Arten von Commitment

– Affektives Commitment: Die Personen haben eine emotionale Verbindung zu einer Aufgabe und wollen diese wirklich erfüllen.

– Kalkulatives Commitment: Die Personen fühlen sich aufgrund eines äußeren Anstoßes zu einer Aufgabe verpflichtet.

– Schein-Commitment: Die Personen spiegeln vor, sich zu einer Aufgabe verpflichtet zu fühlen, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlen

Worin liegt das Problem?

Statt ein tragfähiges und stabiles Commitment zum Wachsen zu bringen, gibt sich das Topmanagement mit einer fragilen Commitment-Basis zufrieden. Es setzt die Beteiligten unter Druck, anstatt mit ihnen zu arbeiten. Diese machen nur solange mit, bis sie ihre Chance sehen, aus dem Veränderungsprozess auszusteigen.

Unzureichendes und schwankendes Commitment erzeugt kontraproduktive Effekte, wie etwa den Verlust des Interesses selbst bei veränderungsbereiten Managern oder die Enttäuschung bei Mitarbeitern, die erleben, dass die Veränderung nur von Teilen der Organisation mitgetragen wird. Das Scheitern des Kulturwandels ist unabwendbar, wenn im Topmanagement, also bei den Initiatoren des Kulturwandels selbst, affektives Commitment Mangelware bleibt.

Was hilft?

Es gilt, affektives Commitment schrittweise zu erzeugen, unter anderem indem

– Mitwirkende für den Kulturwandel gewonnen anstatt dienstverpflichtet werden

– ein gemeinsames, von allen getragenes Verständnis vom Gegenstand der Veränderung erarbeitet wird: Was genau verstehen wir unter „Kultur“ in unserem Unternehmen?

– die Beteiligten eine gemeinsame Sicht entwickeln, welche Bedeutung die Kulturgestaltung für den Unternehmenserfolg hat. Die Argumente dafür sollten gut nachvollziehbar sein und überzeugen.

Fehler 3: Führungskräfte setzen sich halbherzig mit der gelebten Kultur auseinander

Wer die Unternehmenskultur verändern will, muss sich zuerst die Kultur anschauen, die er hinter sich lassen will. Warum? Die Kultur stellt für viele ein unsichtbares, schwer fassbares Konstrukt dar. Ohne saubere Analyse sind Maßnahmen nicht mehr als das Stochern im Nebel. Maßnahmen sind nur dann wirksam, wenn sie auf belastbaren Informationen zur aktuell gelebten Kultur gründen.

Worin liegt das Problem?

Ohne sorgfältige Kulturdiagnose lassen sich Fortschritte nicht identifizieren. Wenn es keinen vereinbarten Referenzpunkt für den Start der Veränderung gibt, wird der Illusion von Veränderung Vorschub geleistet. Was nicht wahrgenommen wird, kann weder Probleme verursachen noch Nutzen stiften. Kulturaktionisten können mit der Ausrede „So schlimm war unsere bisherige Kultur ja gar nicht“ die Schippe an die Wand stellen. Kulturblinden fehlt der Spiegel und die Konfrontation mit ihren blinden Flecken.

Ein häufig zu beobachtender Fehler besteht darin, die Evaluierung der Kultur an Experten zu delegieren. Die Vorgesetzten geben dabei die Führung aus der Hand, indem sie sich in der Zuschauerloge einrichten und anderen ihre ureigenste Führungsaufgabe überlassen. Die Mitarbeiter werden skeptisch und interpretieren das Verhalten ihrer Chefs dahingehend, dass es denen mit der Veränderung nicht ernst ist. Weitere Friktionen verstärken die Unwucht: Führungskräfte sind bei der Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse überfordert. Oder: Unerfreuliche Analyseergebnisse verschwinden in der Schublade.

Was hilft?

Die Evaluierung der Kultur ist ein Führungsakt und keine technische Aufgabe für HR-Spezialisten oder externe Berater. Die Analysearbeit ist von den Führungsteams selbst zu leisten, sonst folgen ihnen die Mitarbeiter nicht. Führungskräfte prägen die Kultur und sind damit in der Pflicht, die Analyse von A bis Z selbst zu verantworten. Das Personalmanagement und die Berater können durchaus technische Expertise und methodische Handreichungen beisteuern. Genau dies ist auch ihre Aufgabe. Aber: Nicht sie, sondern nur die Vorgesetzten selbst können die Kultur im Unternehmen ändern.

Es gibt eine Reihe von Werkzeugen zur Kulturanalyse. Storytelling oder die Werte-Diskrepanz-Analyse sind nur zwei der einfach zu handhabenden Instrumente. Entscheiden sich Führungskräfte für komplexere Ansätze, zum Beispiel für eine Mitarbeiterbefragung, dann ist der Rückgriff auf die fachlich-technische Expertise von Spezialisten geboten. Dabei ist auf die klare Abgrenzung zwischen Führungsverantwortung der Vorgesetzten und technischer Durchführungsverantwortung der Experten zu achten.

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Fehler 4: Die Formulierung des Kulturanspruchs ist unprofessionell

Konzepte wie das Unternehmensleitbild oder der Code of Conduct sind in den Managementetagen populär. Die Beliebtheit dieser Managementtools korreliert mit der Wirkungslosigkeit, die sie zuweilen zeigen. Die Schuld daran wird in der Fach- welt dem Tool als solchem angelastet. Aber das ist falsch.

Worin liegt das Problem?

Die Handhabung des Werkzeugs Leitbild im Führungsalltag erinnert an die angelsächsische Wendung: „A fool with a tool is still a fool.“ Ein Werkzeug ist nur so gut wie sein Benutzer. Die Erarbeitung des Leitbilds wird von den Verantwortlichen oft als lästige Pflicht empfunden und entsprechend halbherzig erledigt. Zuweilen wird sie auch vollständig delegiert, etwa an Fokusteams oder das Personalmanagement. Im Anschluss wird das Leitbild von den auftraggebenden Managern abgesegnet und „schubladisiert“.

Das Konzept verliert damit seine Funktion als Formulierungsrahmen für den Kulturanspruch, weil Manager kontraproduktive Begleitbotschaften an ihre Mitarbeiter senden: „Das Leitbild hängt an der Wand, aber es interessiert niemanden.“ Damit verspielen Manager ihre Führungswirkung und werden in ihrer Rolle als Initiatoren der Veranstaltung, genannt kultureller Wandel, nicht mehr ernst genommen.

Was hilft?

Das Leitbildkonzept ist nicht per se ineffektiv. Richtig erarbeitet und ernsthaft angewendet, wird es sein Wirkungspotenzial im Unternehmen entfalten. Werden die Führungskräfte selbst aktiv, indem sie gemeinsam mit ihren Mitarbeitern das Leitbild mit Inhalt füllen, bietet es auch die erhoffte Orientierung. Seine wichtige Steuerungsfunktion erzielt das Leitbild dann, wenn es von den Führungskräften thematisiert, hinterfragt und als Spiegel genutzt wird, um die angestrebte Unternehmenskultur kontinuierlich mit der im Alltag gelebten zu vergleichen.

Als Alternative zum statisch angelegten Leitbildkonzept bietet sich den Managern die Möglichkeit der dynamischen Kulturzielbildung. Gelingt die Schaffung einer tragfähigen kulturellen Basis, dann können Kulturziele auf einem anspruchsvolleren Niveau, etwa mit dem Konzept einer „echten Teamkultur“, in Angriff genommen werden. Führt kulturelle Professionalität zu den gewünschten Ergebnissen, dann rücken Exzellenzziele wie beispielsweise das einer „agilen Veränderungskultur“ in realistische Reichweite.

Fehler 5: Chefs lassen den Kultur­wandel von anderen umsetzen

Der eigentliche Wandel in der Kultur vollzieht sich erst dann, wenn den bisher vorgestellten Maßnahmen Taten folgen. Führungskräfte vergessen dies und neigen zu der Ansicht, andere – also die Mitarbeiter – sollten für die neue Kultur sorgen. Sie verkennen den eigenen Beitrag zur Verankerung der angestrebten Kultur und entziehen sich der Umsetzungsverantwortung.

Die Ursachen für diesen Trugschluss sind vielfältig. Zwei Faktoren spielen wegen ihrer Bremswirkung im Kulturwandel eine besondere Rolle: Führungskräfte versagen in der Vorbildrolle oder die Lernprozesse sind mangelhaft.

Versagen in der Vorbildrolle

Anstatt die Veränderung überzeugend zu leben, belassen es Manager bei Rhetorik und Lippenbekenntnissen. Sie „vergessen“ einfach, den Anspruch durch eigenes überzeugendes Handeln im Führungsalltag umzusetzen. Bei den Mitarbeitern nachdrücklich die Veränderung einzufordern geht leichter von der Hand, als sie selbst vorzuleben.

Was hilft?

Wichtig ist zu verstehen: Die Kultur orientiert sich an der obersten Sanktionierungsmacht der organisatorischen Einheit, also dem Vorgesetzten. Schwächelt der Vorgesetzte bei der Erfüllung des Kulturanspruchs, werden Bremseffekte sofort spürbar. Die Wirkung des Vorbilds geht über Kanäle wie positive Verstärkung, Nachahmung und soziale Erwünschtheit. Manager sollten diese Zusammenhänge ergründen. Sofern Vorgesetzte ihre Vorbildwirkung ignorieren, gilt: Vergessen Sie Kulturveränderung!

Webfehler in den Lernprozessen der Führungskräfte

Lernen ist ein tragender Bestandteil des Kulturwandels. Unternehmen investieren in die Entwicklung von Führungskräften und erzeugen so durchaus positive und wirksame Impulse. Allerdings ist auch zu beobachten, dass viele Investitionen in Führungskräfteentwicklung nahezu wirkungslos verpuffen.

Wie ist das zu erklären?

Wirkungsblockaden haben zahlreiche Ursachen. Zum Beispiel: Das Personalmanagement agiert entkoppelt von den Linienvorgesetzten der Lernenden, weil sich die Chefs für die Entwicklung ihrer Mitarbeiter zu wenig interessieren oder erst gar nicht zuständig fühlen. Das im Seminarraum vermittelte Führungswissen wird im Alltag nicht angewendet, weil die Lernenden wenig Unterstützung von ihren Vorgesetzten erfahren. Manche Chefs entziehen sich Lernprozessen komplett. Unter den Lernabstinenzlern finden sich besonders häufig ausgerechnet die Initiatoren des Kulturwandels, sprich die Topmanager.

Was hilft?

Erstens: Führungskräfte sollten sich aktiv mit den Verpuffungsgefahren beschäftigen. Die individuellen Lernziele und Maßnahmen sind sorgfältig auf die formulierten Kulturziele abzustimmen. Wichtig: Die Abstimmung ist Führungsaufgabe des Vorgesetzten, nicht des Personalmanagements!

Zweitens: Das Management verabschiedet sich von eingefahrenen Paradigmen. Kulturelles Lernen ist von allen Führungskräften zu leisten, vom Vorstand bis zum Gruppenleiter. Nur weil der Vorstand „Vorstand“ heißt und viel beschäftigt ist, kennt er sich mit den Aufgaben des Kulturwandels nicht besser aus als andere. Mit etwas Mut zur Ehrlichkeit werden auch Topmanager erkennen, dass sie aus ihrer Ausbildung und ihren Karriereerfahrungen ebenso wenig fundiertes Wissen über die Funktionsfähigkeit der Unternehmenskultur mitbringen wie ihr Gruppenleiter in der Konstruktion oder der Meister in der Produktion.

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