Die Diskussion um die Rückkehr ins Büro ist mehr als nur eine Debatte über physische Präsenz. Es geht um die Frage, wie Unternehmen ihre Arbeitskultur gestalten wollen, um die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden zu berücksichtigen und gleichzeitig die Ziele des Unternehmens zu erreichen. Die aktuellen ‚Return-to-Office‘-Mandate in den USA zeigen, dass dieser Prozess nicht ohne Reibungsverluste verläuft. Und die entgegengesetzte Bewegung zeigt aktuell Spotify mit dem Claim: „Du kannst keine Erwachsenen einstellen und sie dann wie Kinder behandeln“.
Unsere Studien aus dem Jahr 2021 (siehe Reflect „Rückkehr ins Büro“ Teil 1, Teil 2 und Teil 3) untermauern diese Entwicklung: Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden mehr Entscheidungsfreiheit bei der Wahl von Arbeitsort und -zeit einräumen, profitieren von einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit, gesteigerter Produktivität und einer stärkeren Innovationskraft.
Die Rückkehr ins Büro: Ein Machtkampf um Arbeitsbedingungen
Die Forderung vieler Unternehmen nach einer Rückkehr ins Büro hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Doch hinter dieser Forderung steckt mehr als nur der Wunsch nach einer Rückkehr zur alten Normalität. Es geht um einen tiefgreifenden Wandel in den Arbeitsbeziehungen und einen Machtkampf um die Gestaltung der Arbeitswelt.
Die Motive der Unternehmen
Kontrollverlust: Die Zeit (nach) der Pandemie und das damit verbundene Homeoffice haben vielen Unternehmen den Eindruck vermittelt, die Kontrolle über ihre Mitarbeitenden zu verlieren. Die Rückkehr ins Büro soll diese Kontrolle wiederherstellen, indem sie die Arbeitszeiten und -orte besser überwachen können und eine stärkere Präsenzkultur etablieren.
Unternehmenskultur: Viele Führungskräfte sind der Meinung, dass eine starke Unternehmenskultur nur im Büro entstehen kann. Spontane Gespräche am Kaffeeautomaten, gemeinsame Mittagessen und informelle Austausch sollen die Mitarbeiterbindung stärken und die Zusammenarbeit fördern. Sie befürchten, dass diese Aspekte im Homeoffice verloren gehen.
Präsenz gleich Produktivität: Ein weitverbreitetes Missverständnis ist, dass physische Präsenz automatisch zu höherer Produktivität führt. Viele Führungskräfte glauben, dass Mitarbeitende im Büro besser überwacht und motiviert werden können und somit produktiver arbeiten.
Image und Status: Für einige Unternehmen ist die Präsenz in einem Bürogebäude ein Statussymbol. Sie möchten damit ihre Größe und Bedeutung unterstreichen und potenziellen Kunden und Partnern ein professionelles Image vermitteln.
Die Folgen für die Mitarbeitenden
Weniger gelernte Vereinbarkeit von Arbeit und Leben = Mehr Stress: Volle Pendlerwege, eingeschränkte Flexibilität in der Zeitgestaltung und die künstliche Trennung von Familienleben und Beruf können zu erhöhtem Stress und einer schlechteren Work-Life-Balance führen. Dies kann sich negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden auswirken und auf die Leistung selbst.
Geringere Zufriedenheit: Viele Mitarbeitende schätzen die Flexibilität und Autonomie, die das Homeoffice bietet. Eine Rückkehr ins Büro kann zu Unzufriedenheit und einer höheren Fluktuationsrate führen, da sich Mitarbeitende nach Unternehmen umsehen, die flexible Arbeitsmodelle anbieten.
Ungleichheit: Insbesondere Frauen mit Kindern, die während (und nach) der Pandemie das Leben neu und für sich passend organisiert haben, sind von der Rückkehr ins Büro oft besonders hart betroffen. Sie haben weniger Flexibilität und müssen größere persönliche Opfer bringen, um permanent anwesend zu sein. Dies kann zu einer Verstärkung bestehender Ungleichheiten führen.
Weg von starren Bürozeiten
Die Forderung nach starren Bürozeiten kann zu Unzufriedenheit und einer höheren Fluktuation führen bis hin zu negativen Unternehmensergebnissen. Studien belegen, dass Mitarbeitende mit der Möglichkeit zum Homeoffice oft produktiver bzw. genauso produktiv sind und eine höhere Arbeitszufriedenheit aufweisen. Eine aktuelle Untersuchung bestätigt diesen Trend: Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden nach der Pandemie zur Rückkehr ins Büro zwangen, insbesondere solche mit schwächeren Leistungen vor der Pandemie, erzielten oftmals schlechtere Ergebnisse. Dies deutet darauf hin, dass flexible Arbeitsmodelle nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit steigern, sondern auch einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben können.
Fallbeispiel: Amazon setzt auf Präsenz im Büro: Fünf-Tage-Woche ab 2025
Ab Januar 2025 müssen die Mitarbeitenden des Online-Händlers wieder fünf Tage pro Woche ins Büro kommen. Diese Entscheidung markiert eine deutliche Abkehr von den flexiblen Arbeitsmodellen, die während der COVID-19-Pandemie weit verbreitet waren.
Gründe für die Rückkehr ins Büro:
- Effizienzsteigerung: Amazon-CEO Andy Jassy argumentiert, dass die Zusammenarbeit im Büro effizienter sei und innovative Ideen besser gefördert werden könnten.
- Stärkung der Unternehmenskultur: Durch die gemeinsame Präsenz im Büro soll die Unternehmenskultur gestärkt und das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt werden.
- Feste Arbeitsplätze: In den Hauptniederlassungen werden feste Arbeitsplätze eingeführt, um ein Gefühl von Stabilität und Zugehörigkeit zu schaffen.
Ausnahmen von der Regel
Obwohl die Präsenzpflicht im Büro die Regel sein soll, wird es weiterhin Ausnahmen geben. Bei Krankheit oder für Aufgaben, die eine konzentrierte Arbeitsumgebung erfordern, können Mitarbeitende auch weiterhin von zu Hause aus arbeiten.
Branchenübergreifender Trend
Amazon ist nicht das einzige Unternehmen, das eine Rückkehr ins Büro forciert. Auch andere große Konzerne wie Apple, SAP, Volkswagen und die Deutsche Bank haben ähnliche Pläne angekündigt. Dieser Trend zeigt, dass viele Unternehmen die Vorteile der persönlichen Zusammenarbeit schätzen und die Produktivität im Büro höher einschätzen.
Die Zukunft der Arbeit ist flexibel – Ein globaler Vergleich
US-amerikanische Entwicklungen
Unternehmen wie Google und Meta haben zwar flexible Arbeitsmodelle eingeführt, jedoch unterliegen diese oft strengen Regeln und setzen eine Mindestanzahl an Präsenztagen voraus. Die Begründung liegt oft in der Notwendigkeit für spontane Zusammenarbeit und Innovation. In der Finanzbranche, insbesondere bei großen Investmentbanken wie Goldman Sachs, ist die Rückkehr ins Büro oft verpflichtend. Dies wird mit der Notwendigkeit zur Wahrung von Vertraulichkeit und der Förderung einer starken Unternehmenskultur begründet.
Europäische Vielfalt
In Europa ist die Situation heterogener. Länder wie die Niederlande und Schweden haben sich frühzeitig für flexible Arbeitsmodelle ausgesprochen und setzen diese konsequent um. Eine Eurostat-Umfrage bestätigt diesen Trend.
Individuelle Gestaltung
Sowohl in den USA als auch in Europa wird die individuelle Gestaltung der Arbeitsumgebung immer wichtiger. Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden zunehmend die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Arbeitsorten und -zeiten zu wählen.
Wie sieht es in Deutschland aus?
Trotz Ankündigungen großer Unternehmen wie SAP, der Medienkonzern Axel Springer und der Deutschen Bank, die ihre Mitarbeitenden wieder stärker ins Büro holen wollen, zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung, dass das Homeoffice immer öfter von Unternehmen angeboten wird. Der Anteil der Stellenangebote mit Homeoffice-Option hat sich seit 2019 verfünffacht.
Nicht nur in der IT-Branche, sondern auch in anderen Bereichen wie dem verarbeitenden Gewerbe hat sich das Homeoffice etabliert. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Berufsgruppen und Regionen.
Trotz (vereinzelter) Rückrufe ins Büro setzt sich der Trend zum Homeoffice fort. Unternehmen erkennen die Vorteile flexibler Arbeitsmodelle für die Mitarbeiterzufriedenheit, die Produktivität und die Gewinnung von Fachkräften. Die Rückkehr ins Büro ist kein allgemeiner Trend, sondern hängt von verschiedenen Faktoren wie Branche, Unternehmensgröße und Qualifikation der Mitarbeitenden ab.
Case Studies
- Spotify: Der schwedische Musikstreaming-Dienst ist ein Paradebeispiel für ein Unternehmen, das auf eine flexible Arbeitskultur setzt. Spotify-Mitarbeitende können weltweit arbeiten und ihre Arbeitszeit selbstständig einteilen.
- Microsoft: Auch Microsoft hat seine Arbeitsweise grundlegend überarbeitet und bietet seinen Mitarbeitenden die Wahl zwischen Büroarbeit, Homeoffice und einer Kombination aus beidem. Microsoft 365 bietet zudem zahlreiche Tools für die hybride Zusammenarbeit.
- Deutsche Telekom: Die Telekom hat ein umfassendes Programm zur Förderung flexibler Arbeitsmodelle eingeführt, das auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Fokus nimmt.
- Siemens: Auch Siemens setzt auf eine Kombination aus Büroarbeit und Homeoffice und betont die Bedeutung von Vertrauen und Eigenverantwortung.
Schlussfolgerung
Die Zukunft der Arbeit ist hybrid. Während viele Unternehmen in den letzten Jahren zwischen den Extremen Homeoffice oder der Forderung nach einer strikten Rückkehr ins Büro pendelten, haben wir von Beginn an Wert auf eine gelungene Mischung zwischen Begegnungen im Büro und Heimarbeit gelegt. Und wurden mittlerweile klar bestätigt. Eine gelungene Balance ist nicht nur möglich, sondern auch von großem Vorteil für Organisationen und Mitarbeitenden.
Indem Unternehmen die Möglichkeit bieten, zwischen verschiedenen Arbeitsorten und -zeiten zu wählen, schaffen sie eine flexible und anpassungsfähige Arbeitsumgebung. Dies stärkt nicht nur die Mitarbeiterbindung, sondern ermöglicht auch, Talente zu gewinnen und zu halten.
Es erfordert allerdings eine Kultur des Vertrauens auf Führungsseite und der Eigenverantwortung auf Mitarbeiterseite, so dass sowohl die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt sowie die Unternehmensziele im Blick behalten werden.
Letztlich ist es eine mitarbeiter- und unternehmensorientierte Kultur, die den größten Erfolg verspricht.
Quellen
Return-to-office orders look like a way for elite, work-obsessed CEOs to grab power back from employees
Analysis by Hasan Chowdhury and Sarah JacksonAug 24, 2023, 4:27 PM MESZ https://www.businessinsider.com/return-to-office-mandates-restore-ceo-power-2023-8
„The back-to-office backfire“ https://www.businessinsider.com/employees-work-from-home-benefits-as-good-as-raise-2023-8
„Amazon macht Schluss mit Homeoffice“ https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/amazon-macht-schluss-mit-homeoffice-ab-januar-wieder-buero-fuenf-tage-die-woche-a-6bad439c-203f-4a85-b289-72c2710c2de6
Return-to-Office Mandates, Yuye Ding, Mark (Shuai) Ma, University of Pittsburgh, January 2024
Von wegen Rückkehr ins Büro: So stark hat sich das Homeoffice etabliert, Jannik Deters 12.08.2024 https://www.wiwo.de/erfolg/trends/remote-arbeit-von-wegen-rueckkehr-ins-buero-so-stark-hat-sich-das-homeoffice-etabliert/29856602.html
Bildquelle
Ramírez Carrasco, José Martín, https://unsplash.com/de/fotos/gruppe-von-menschen-die-auf-der-treppe-gehen-45sjAjSjArQ (Juli, 2014)
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