Die deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) beschreibt in einer groß angelegten Studie Zukunftstrends für das HRM und zeigt HR-Strategien auf, die darauf abzielen, den Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt gerecht zu werden (siehe Tabelle 1; DGFP, 2024).
Tabelle 1: Zukunftstrends im HRM laut der DGFP HR-Zukunftsstudie (DGFP, 2024)
| Transformative HR | HR muss sich intern neu ausrichten, seinen Wertbeitrag klar definieren und sich entwickeln. Nicht nur „Prozess-Verwalter“ sein, sondern strategischer Partner. |
| Menschenzentrierte Organisation | Mitarbeitende rücken in den Fokus – Bedürfnisse, Sinn, Gesundheit und Eigenverantwortung werden (noch) zentraler. |
| Übergreifende Synergieeffekte | Silos aufbrechen: HR, IT und Business müssen stärker zusammenarbeiten. Integration muss über Funktionsgrenzen hinweg stattfinden. |
| Maßgeschneiderte Lösungen | Nicht „mit der Gießkanne“: HR-Strategien und Werkzeuge müssen an verschiedene Unternehmenskontexte und Zielgruppen angepasst werden. |
| Globales Talent Ökosystem | Talente gibt es weltweit, es kommt auf grenzübergreifende Rekrutierung und Bindung an. HR muss global denken. |
| Gestaltung der hybriden Arbeitswelt | Hybride Arbeitsmodelle (remote + vor Ort) sind zunehmend die Norm. Dafür muss HR Work-Design neu denken. |
| Überwindung der Daten-Kluft | HR muss Daten und Analytik besser nutzen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. |
| Einflüsse von außen | Geopolitik, Gesellschaft, Nachhaltigkeit und Wertewandel beeinflussen HR. Ein kompetenter Umgang mit diesen Einflüssen rückt in den Fokus. |
| HR-Effizienz Treiber | Automatisierung, KI, digitale Tools: HR wird effizienter, aber muss dazu die richtigen Technologien und Prozesse haben. |
| Regulatorik in der digitalen Welt | Gesetze, Datenschutz, Compliance – besonders durch Digitalisierung wird HR mit komplexeren Rahmenbedingungen konfrontiert. |
| Human Tech Balancing | Das Zusammenspiel von Menschen und Technik wird zentral: Technik dient den Menschen und ersetzt sie nicht. |
| Next Level Weiterbildung (Lernkultur) | Kontinuierliches Lernen, individualisierte Entwicklungswege und eine moderne Lernkultur werden zum Wettbewerbsfaktor. |
Diese richtungsweisenden Trends zeigen, dass HR mit dem Blick auf Wandel, Technologie und Mitarbeiterfokus strategisch wirken muss.
Du willst wissen, wie du dein Unternehmen in die richtige Richtung entwickeln kannst? Mit unseren 6 konkreten Praxis-Trends geben wir dir entsprechende Werkzeuge an die Hand.
HR muss mit dem Blick auf Wandel, Technologie und Mitarbeiterfokus strategisch wirken.
6 Praxis-Trends für dein Unternehmen
Trend 1: Ein Talent, viele Arbeitgeber – Hallo, Polywork!
Immer mehr Fachkräfte entscheiden sich dafür, gleichzeitig für mehrere Arbeitgeber oder Projekte zu arbeiten (Bernauer, 2025). Die Engagements sind dabei oft thematisch/fachlich zueinander passend und können unterschiedlich strukturiert sein: fest angestellt, befristet, projektbasiert oder auf freiberuflicher Basis (Mondo, 2025). Nicht zu verwechseln ist dieses Modell mit der klassischen Freelancer-Tätigkeit: Bei Polywork geht es um langfristigere Engagements und pluralisierte Karrierewege, nicht um kurzfristige Einzelaufträge.
Der Ansatz bietet klare Vorteile:
- Arbeitnehmende können ihre Fähigkeiten diversifizieren und berufliche Widerstandsfähigkeit sowie einen selbstbestimmten Karriereweg sichern.
- Unternehmen können Spezialwissen flexibel einkaufen und erhalten Zugang zu einem breiten Pool an Experten und Expertinnen (die für eine Vollzeitstelle ggf. nicht verfügbar oder zu teuer wären).
Doch es gibt auch Schattenseiten: Das Einfinden in unterschiedliche Unternehmenskulturen auf Arbeitnehmerseite kann eine große Herausforderung sein. Für Unternehmen stellen Interessenskonflikte und das Risiko der Weitergabe von sensiblen Informationen oft ein Problem dar. Wichtig ist daher, rechtliche Rahmenbedingungen (wie etwa zu geistigem Eigentum und Wettbewerbsverboten) eindeutig zu formulieren.
Polywork ist das „Arbeitsformat“ der Zukunft
Trend 2: Fokus auf Kompetenzen statt auf Lebensläufen – Kompetenzlückenbasiertes Recruiting
Auf Kompetenz- bzw. Qualifikationslücken ausgerichtetes Recruiting (Skill-Gap-Focused Recruiting) ist ein neuer, datengetriebener Ansatz, bei dem Unternehmen ihre Einstellungsentscheidungen gezielt an bestehenden oder zukünftigen Kompetenzlücken (Skill Gaps) ausrichten – anstatt sich an klassischen Stellenprofilen oder Jobtiteln zu orientieren. Traditionelles Recruiting fragt: „Welche Position wollen wir besetzen?“ Skill-Gap-Focused Recruiting fragt stattdessen: „Welche Fähigkeiten fehlen uns, um unsere Strategie umzusetzen?“
Das bedeutet: Statt nach der „perfekten“ Kandidatin oder dem „perfekten“ Lebenslauf zu suchen, konzentriert man sich auf die konkreten Fähigkeiten, die dem Unternehmen aktuell oder in Zukunft fehlen – und darauf, wie diese schnell und gezielt ergänzt werden können.
Damit eine belastbare Analyse durchgeführt werden kann, muss dein Unternehmen zunächst wichtige Grundvoraussetzungen schaffen:
- Überblick über die Skills der Belegschaft
- Leistungsfähige Analyse-Software (für automatisiertes Skill-Mapping und Gap-Analysen)
- HR-Abteilung, die im Umgang mit den Tools geschult ist und die Ergebnisse sinnvoll einsetzen kann
Zugegeben, das ist ein großer Vorbereitungsaufwand. Dieser ist vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und schnellen technologischen Wandels aber mehr als gerechtfertigt – um nicht zu sagen: Er sichert die Zukunft deines Unternehmens. Auf dieser Basis können gezielt Expertinnen und Experten gefunden werden und die Time-to-Productivity ist spürbar kürzer.
In der Praxis wird der Ansatz oft mit interner Talentmobilität kombiniert, damit sich Skill Gaps (kosteneffizient und bindungsfördernd) mit bereits vorhandenen Mitarbeitenden schließen lassen (Bernauer, 2025).
Zukunftsfähiges Recruiting fragt: „Welche Fähigkeiten/Qualifikationen/Kompetenzen fehlen uns, um unsere Strategie umzusetzen?“
Trend 3: Nutze den autonomen KI-Agenten der Zukunft – Agentenbasierte KI
Agentenbasierte KI (Agentic AI) bedeutet frei übersetzt „handelnde“ oder „autonome“ KI. Doch was ist das eigentlich und wie können wir die KI für HR-Prozesse nutzen?
Ein „Agent“ in diesem Sinne ist ein KI-System, das zielorientiert, autonom und initiativ handelt. Anders als traditionelle KI, die auf Eingaben reagiert (z. B. ein Prompt, auf den sie antwortet), setzt agentenbasierte KI definierte Ziele um, plant Zwischenschritte und führt Aufgaben aus, ohne dass stetig menschliches Eingreifen nötig ist. Man spricht daher auch von einer neuen Generation künstlicher Intelligenz.
Agentenbasierte KI kann damit komplette HR-Workflows selbstständig ausführen. HR definiert lediglich das gewünschte Ergebnis, zum Beispiel: „Senior HR Business Partner in 60 Tagen einstellen“.
Die KI übernimmt dann anfallende Aufgaben, wie…
- …die Planung von Interviewterminen durch Kalenderabgleich
- …das Versenden von Einladungen zum Video-Interview
- …das Führen von Gehaltsverhandlungen (innerhalb eines festgelegten Rahmens)
- …das Erstellen von Arbeitsverträgen inkl. E-Signatur.
Außerdem fasst der Agent Ergebnisse zusammen, vergleicht diese mit im Unternehmen vorhandenen Erfolgsprofilen und schlägt auf dieser Basis nächste Schritte vor.
Die Time-to-Hire und die Kosten pro Einstellung können so mit jedem Durchlauf optimiert werden (Bernauer, 2025).
Werden solche Systeme genutzt, muss HR sicherstellen, dass alle Regeln eingehalten werden, die durch den sogenannten EU AI Act vorgegeben sind. Einen guten Einstieg zum Thema EU AI Act findest du hier beim Bundesverband für Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting e. V.
In jedem Fall sollten sich Unternehmen vor der Einführung von agentenbasierter KI juristisch beraten lassen, da empfindliche Bußgelder drohen und das Themengebiet eine hohe Komplexität aufweist.
Agentenbasierte KI ist die neue Generation der KI und kann komplette HR-Workflows selbstständig ausführen.
Trend 4: Erkenne Risiken frühzeitig – Predictive People Risk Scoring zur besseren Risikoerfassung
Predictive People Risk Scoring (PPRS) ist ein Teilbereich von Predictive People Analytics. Hier werden Risiken mit Hilfe einer Datenbasis und Machine-Learning-Methoden frühzeitig sichtbar gemacht.
Interessante Aspekte sind dabei beispielsweise Fluktuation, Fehlbesetzungen, Leistungseinbrüche, drohende Burnout-Spitzen, unzureichende Weiterentwicklung oder Kompetenzlücken.
Du weißt nicht, wie das in deinem Unternehmen umgesetzt werden soll?
Schauen wir uns das Vorgehen genauer an: Zunächst werden historische Daten von Mitarbeitenden gesammelt. Aus diesen Daten werden Faktoren herausgearbeitet, die mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Risiken führen. Beispiel: Eine Mitarbeiterin, die schon lange keine Gehaltserhöhung erhalten oder viele Fehlzeiten hat, hat ein höheres „Risiko einer Kündigung“. Mit historischen Daten wird nun ein Modell trainiert. Das heißt, man schaut sich die Fälle an, bei denen Mitarbeitende mit diesen Merkmalen tatsächlich das Unternehmen verlassen haben (Căvescu & Popescu, 2025). Das Modell weist jedem Mitarbeitenden im nächsten Schritt eine Wahrscheinlichkeit oder Risikoeinstufung zu. Frau x erhält damit beispielsweise eine 90%-ige Wahrscheinlichkeit, das Unternehmen in den nächsten 12 Monaten zu verlassen. Für entsprechenden Risikogruppen können dann gezielte präventive Maßnahmen umgesetzt werden.
Aus eigener Erfahrung wissen wir: Kritiker solcher datenbasierten Trends sehen in deren Anwendung eine Kontrolle oder gar Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Wir finden: Richtig angewendet bringen diese Methodiken echte Vorteile – und zwar für Arbeitgeber und Arbeitnehmende! Das haben auch Branchengrößen wie IBM erkannt, die PPRS durch KI vorantreiben, um sich einen festen Platz im HR-Management der Zukunft zu sichern.
Moderne Risikoerfassung funktioniert mit einer soliden Datenbasis und Machine-Learning-Methoden.
Trend 5: Simuliere HR-Entscheidungen virtuell – Mit dem digitalen Zwilling klappt’s!
Eine Digital-Twin-Organisation (oder Digital Twin of an Organization, DTO) ist ein Konzept, bei dem ein Unternehmen einen digitalen Zwilling seiner Strukturen, Prozesse, Datenflüsse und der gesamten Belegschaft als dynamisches 3D-Datenmodell erstellt – in Echtzeit oder nahe Echtzeit.
HR-Teams können dieses digitale Abbild nutzen, um neue Strategien risikofrei zu testen. Entscheidungen zu Recruiting-Prozessen oder Weiterbildungsmaßnahmen können so datengetrieben getroffen werden und zunächst im „Crash-Test-Dummy-Modus“ ausprobiert werden (Bernauer, 2025).
Dynamische 3D-Datenmodelle dienen dazu, neue Strategien risikofrei zu testen und Entscheidungen datengetrieben zu treffen.
Trend 6: Lasse deine Unternehmenskultur extern fördern – Culture-as-a-Service
Dieser Trend wird aktuell vor allem vor dem Hintergrund von Remote-Arbeit und hybriden Teams diskutiert. Culture-as-a-Service beschreibt eine Dienstleistung, bei der externe Anbieter standardisierte Programme zur Förderung der Unternehmenskulturanbieten. Wenn die persönliche Interaktion im Büro fehlt, sollen solche Programme dabei helfen, (neue) Mitarbeitende einzubinden, gemeinsame Werte zu stärken und das Engagement zu steigern.
Kritiker argumentieren, dass eine authentische Unternehmenskultur nicht durch externe Programme entstehen kann. Aus unserer Arbeit mit Unternehmen wissen wir: Kultur entsteht durch tägliche Zusammenarbeit, gemeinsame Erlebnisse und persönliche Gespräche (wobei diese Gespräche natürlich auch digital stattfinden können!). Gekaufte Kultur aus dem „Standardpaket“ läuft Gefahr, als nicht echt erlebt zu werden. Programme zur Förderung der Kultur können (richtig eingesetzt) aber durchaus wertvolle Tools sein, die Impulse in die „richtige“ Richtung geben.
Standardisierte Programme zur Förderung der Unternehmenskultur: Top oder Flop?
Abbildung 1: 6 HRM-Zukunftstrends im Überblick

Fazit
Die 6 genannten Trends (siehe Abbildung 1) geben uns einen Einblick in das, was möglich wird, wenn wir technologische Entwicklungen gezielt nutzen und dabei den Menschen in den Fokus rücken. Das HRM von morgen beginnt heute – mit mutigen Entscheidungen, klaren Werten und der Bereitschaft, Neues zu lernen.
In den letzten zehn Jahren haben sich die Fehlzeiten durch psychische Belastung um rund 50 Prozent erhöht (DAK Psychreport, 2025). Entscheidend ist also, wie Arbeit gestaltet wird, damit sie morgen noch geleistet wird. Es geht nicht um „mehr“ (mehr Stunden, mehr Büro-Präsenz, mehr Engagement), sondern darum, nachhaltige Arbeitsfähigkeit auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene zu gewährleisten.
Zukunftsfähige Arbeitgeber müssen Belastungsgrenzen respektieren, zu Lebensphasen passen und auf die Fähigkeiten der Beschäftigten abgestimmt sein. Arbeit muss in einem Umfeld stattfinden, dass Menschen nicht überfordert, sondern sie stärkt. Genau darauf zielen die genannten HR-Trends ab.
Quellen
Căvescu, A. M. & Popescu, N. (2025). Predictive Analytics in Human Resources Management: Evaluating AIHR’s Role in Talent Retention. https://www.mdpi.com/2673-9909/5/3/99
Bernauer, D. (2025). HR Trends 2025 & 2026. https://workdate.com/de/2025/08/20/hr-trends-2025-2026/
DAK Psychreport, 2025. https://www.dak.de/dak/unternehmen/reporte-forschung/psychreport-2025_91766
DGFP, 2024. Die HR-Zukunftsstudie: 12 Trends für das Personalmanagement. https://www.dgfp.de/%C3%BCber-uns/hrm-der-zukunft
Mondo (2025). What is Polyworking? Everything Employers Need to Know. https://mondo.com/insights/what-is-polyworking-everything-employers-need-to-know/


