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Führungskultur der Selbstführung bei dm

Im Rahmen der Buchvorstellung „Führen in der Gesunden Organisation“ am 01. Dezember 2016, hielten mehrere Experten Vorträge über ihre Perspektiven einer Gesunden Organisation – diese Eindrücke haben wir in Videos festgehalten. Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsführung von dm-drogeriemarkt, zeigte auf, wie gesunde Führung bei dm umgesetzt und gelebt wird. Das war nicht immer so, erklärt Harsch im Video, als er vom „Auslöser“ des Kulturwandels am Anfang der 90er Jahre erzählt. Wie ein Rolltisch dm zu einem der besten Arbeitgeber Deutschlands machte und welche Prinzipien und Vorstellungen der dm-Führungskultur zugrunde liegen, das sehen Sie im Video mit Erich Harsch.

Der dm-Chef war nicht nur bei der Buchvorstellung als Experte eingeladen. Er trug außerdem mit seiner „Expertenperspektive“ zum Führungsverständnis des Fachbuchs „Führen in der Gesunden Organisation“ bei. Dabei gewährte er wertvolle Einblicke in die Führungskultur des Drogeriekonzerns. Im Rahmen dieser Notiz möchten wir Ausschnitte des Interviews sowie den Video-Vortrag zur Verfügung stellen, um Ihnen Impulse für die gesunde und nachhaltige Gestaltung Ihrer eigenen Führungsstrukturen zu bieten.

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Abbildung 1: Erich Harsch,
Vorsitzender der dm-Geschäftsführung (Quelle: dm.de)

Führungskultur bei dm: Führen als Unterstützung zur Selbstführung

39.000 Mitarbeiter, stetiges Wachstum und eine starke und preisgekrönte Arbeitgebermarke – bei dm wird die Gesunde Organisation gelebt. Vielleicht nicht ganz nach ihrem theoretischen Ideal, welches im Buch präsentiert wird; doch gerade das besondere Führungsverständnis des dm-Konzerns kann als Vorbild dienen. Denn bei dm bedeutet Führung eben nicht Fremdsteuerung, sondern Unterstützung zur Selbstführung. In der Tat, stellt Harsch fest, ist das Unternehmen darauf angewiesen, „dass möglichst viele Menschen im Unternehmen eigeninitiativ und eigenverantwortlich tätig sind.“ Daher, so der dm-Chef, müsse man ihnen das „Menschsein“ ermöglichen. Der Mitarbeiter als ganzheitlicher Mensch, als erwachsene, verantwortungsvolle und selbstbestimmte Person – in so eine Welt passen klassisch autoritäre und direktive Führungsmodelle nicht hinein. Ganz im Gegenteil, die Rolle der Führungskraft wechselt vom Leithammel zum Dienstleister. Erich Harsch formuliert daher die Frage, die sich alle Unternehmen in diesem Zusammenhang stellen müssen:

„Wie kommt man von der Fremdsteuerung zur Selbststeuerung, von der Fremdkontrolle zur Selbstkontrolle und von der Fremdverantwortung zur Selbstverantwortung?

Zielvorgaben Adé, Budgets waren gestern

Verantwortung für sich, für Andere und für das Gesamte zu übernehmen, ist nicht nur Ziel für Mitarbeitende in Unternehmen, sondern laut Harsch, das grundlegende Leitbild einer modernen Gesellschaft. So wie wir im gesellschaftlichen Zusammenleben nach dem Respekt für das Individuum und dem Respekt für individuelle Freiheit streben, so sollten auch Unternehmen Respekt und Wertschätzung für den Menschen an sich entwickeln. Das typische Leithammelwesen hat laut Harsch daher ausgedient. Vorgaben zu machen und Ziele zu setzen, sind keine adäquaten und zeitgemäßen Führungscharakteristika mehr. Auch daher, so Erich Harsch im Video, gibt es bei dm keine Zielvorgaben, keine Budgets, keine variablen Anreizsysteme. Vielmehr beschreibt der dm-Verantwortliche, dass die heutige Führungsaufgabe daraus besteht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Selbstlenkung und -führung der Mitarbeiter ermöglicht, sodass diese ein Selbstbewusstsein und ein Bewusstsein über Zusammenhänge entwickeln. Im Zeitalter des modernen Menschen ist diese Art der Führung unerlässlich, da sich junge Menschen nicht in klassische Führungsbeziehungen zwingen lassen werden.

Die Führungsaufgabe neu definiert: Vom Vorgesetzten zum Verantwortlichen

Erich Harsch argumentiert weiter, dass Verantwortliche dafür zuständig sind, Demotivationsfaktoren aus dem Weg zu räumen, damit Menschen sich entfalten können. Um dieser Entfaltung gerecht zu werden, müssen Führungskräfte Fehler tolerieren und ein vertieftes Verständnis über situative und soziale Angemessenheit von Belohnung, Kritik und Feedback erreichen. Grundlegende Faktoren zur Selbstführung sind seines Erachtens Freiheit, Verantwortung und Entscheidung.

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Abbildung 2: Dreieck der Selbstführung (Kallenbach, 2016)

Er hält fest:

„Unsere Idee ist, Freiraum zu schaffen, sodass die Menschen eigenverantwortlich, individuell und situativ gestalten können. […] Wir brauchen niemanden, der darauf wartet, dass der Chef sagt, was getan werden soll. Wir brauchen niemanden, der erst in einem Handbuch blättern muss, welche Organisationsanweisung dafür vorgesehen ist. Sondern wir brauchen jemanden, der individuell, situativ und angemessen handelt.“

Selbstorientierungskompetenz: Schlüssel zur Selbstführung

Dafür ist es notwendig, dass Führende die Selbstorientierungskompetenz ihrer Mitarbeiter fördern, also deren Fähigkeit, situativ neue Einsichten zu entwickeln und sich selbst einschätzen und beurteilen zu können. Selbstorientierungskompetenz ist demnach eine Grundlage, um Freiheit und Verantwortung in der Selbstführung bewusst nutzen und leben zu können. Dafür ist es notwendig, dass Menschen an ihrer Wahrnehmung arbeiten, Dinge und Aussagen kritisch hinterfragen und das Wesentliche an einer Sache erkennen.

Ist so viel Freiheit nicht riskant?

In einem selbstgesteuerten Arbeitskontext, der sich von Fremdautorität befreien kann, ist es im Führungsverhältnis wichtig, dass Führungskräfte den „Mut zur Lücke“ entwickeln. Das bedeutet, dass Führende sich vom klassischen Modell der totalen Kontrolle verabschieden und Mitarbeitenden Freiheiten bieten müssen, die nicht immer kontrollierbar sind. Selbstverständlich besteht auch die Gefahr, dass die gebotene Freiheit missbraucht wird, doch Erich Harsch sagt ganz klar, dass es sich in jedem Fall lohnt, dieses „Risiko“ einzugehen. Im Video erläutert er, dass selbstführende Menschen ein Unternehmen agiler machen und Selbstführung somit in einem komplexen, dynamischen und digitalisierten Unternehmensumfeld der Schlüssel zum Erfolg sein könnte. Denn, so stellt der dm-Chef fest, verfügen Mitarbeiter durch ihre Kundennähe, im Gegensatz zum Top-Management, über ein enormes Potenzial und Wissen. Das Beispiel, das Erich Harsch in Bezug auf dm’s Facebook Live Auftritt zu Weihnachten erläutert, spricht Bände (ab Min. 7:30).

Fazit

Sowohl das Experteninterview wie auch das Video zeigen auf: dm stellt die klassische Hierarchiepyramide auf den Kopf. Und es funktioniert. Vor allem, weil der Mensch im Mittelpunkt dieses Wandels steht. Weiterführende Inhalte finden Sie in „Führen in der Gesunden Organisation“, welches näher darauf eingeht, wie ein selbstführendes Unternehmen funktionieren kann. Wir danken Erich Harsch für die wertvollen Einblicke und hoffen, dass Sie diese als Inspiration auf Ihrem Weg zur Gesunden Organisation nutzen können.

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