Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten und eine bessere Balance zwischen Arbeit und Privatleben.Teilen
Da scheint die 4-Tage-Woche die optimale Lösung zu sein! Aber ist deren Umsetzung überhaupt realistisch? Viele Arbeitgeber hierzulande befürchten Einbußen der Produktivität. Neben der offiziellen gesetzlichen Verankerung der 4-Tage-Woche in Belgien gibt es in vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel Island, Großbritannien, Irland, USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Israel, bereits zahlreiche Pilotversuche zur 4-Tage-Woche. In Spanien und Schottland sind ebenfalls Testläufe in Gange (Stand: Juni 2022). Die Idee der 4-Tage-Woche ist simpel: Statt an fünf Tagen pro Woche wird nur noch an vier Tagen pro Woche gearbeitet. Dort, wo die 4-Tage-Woche getestet wird, ist sie in vielen Fällen ein großer Erfolg – sowohl für Arbeitnehmer*innen, als auch für den Arbeitgeber: Arbeitnehmende haben mehr Zeit für Familie, Freunde, Hobbies sowie ehrenamtliches Engagement und sind damit häufig zufriedenere, motiviertere und gesündere Mitarbeitende.
Messbarer Erfolg: Das sagen die Fakten
Erst kürzlich wurden die ersten Ergebnisse einer Langzeitstudie zur 4-Tage-Woche veröffentlicht. Die Non-Profit-Organisation „Four Day Week Global“ (4DWG) arbeitet mit Firmen zusammen, die die 4-Tage-Woche getestet haben. Die Umsetzung der 4-Tage-Woche in den Unternehmen funktioniert so: Es gibt vier Arbeitstage mit insgesamt 32 Wochenstunden. Der Freitag ist der freie Tag und die Arbeitnehmenden werden trotz der Arbeitszeitreduktion mit ihrem vollen Lohn bezahlt.
Die Ergebnisse der Langzeitstudie mit 33 Firmen aus den USA, Irland, Australien und einigen anderen Staaten sprechen für sich (Four Day Week Global, 2022): Die Unternehmen bewerteten ihre Erfahrung mit 9 von 10 Punkten, wobei kein Unternehmen nach der Pilotphase zu einer 5-Tage-Woche zurückkehrte. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um durchschnittlich 38 Prozent.
Der zusätzliche freie Tag war für die Arbeitnehmenden so wertvoll, dass 70 Prozent der Befragten angaben, eine Lohnerhöhung von 10-50 Prozent zu benötigen, um zu einer 5-Tage-Woche zurückzukehren.
Die 4-Tage-Woche: Vorteile
Was konkret bringt die 4-Tage-Woche an positiven Aspekten mit sich? Wir haben die wichtigsten Punkte für Sie zusammengetragen.
Bessere Erholung und damit weniger Krankheits- bzw. Fehltage. Zwei freie Tage pro Woche reichen oftmals nicht zur Erholung aus. Dies gilt vor allem in Branchen mit vielen Überstunden, ständiger Erreichbarkeit oder Nachtschichten. Eine 4-Tage-Woche kann für ausgeruhte und leistungsfähige Mitarbeitende sorgen. Unternehmen berichten außerdem von weniger Krankheits- bzw. Fehltagen ihrer Mitarbeitenden.
Bessere Balance zwischen Arbeit und Privatleben. Der Termin beim Hausarzt, der Handwerkerbesuch wegen des kaputten Kühlschranks, Zeit mit den Kindern oder aber der Besuch von Angehörigen im Pflegeheim – alle diese wichtigen privaten Termine können bei einer 4-Tage-Woche auf den freien Tag gelegt werden.
Höhere Produktivität. Wer mehr Arbeitstage und damit subjektiv empfunden auch mehr Zeit hat, nutzt diese Zeit nicht immer produktiv: Ausgedehnte Diskussionen, nutzlose Meetings und verschobene Entscheidungen können die Produktivität erheblich einschränken. Hier kann die 4-Tage-Woche erfolgreich gegenwirken.
Kosteneinsparungen. Eine 4-Tage-Woche kann dazu beitragen, dass Unternehmen Kosten sparen, indem sie weniger Energie und andere Ressourcen benötigen.
Ansprache neuer Bewerbergruppen. Die Möglichkeit einer 4-Tage-Woche steigert die Arbeitgeberattraktivität und spricht neue Zielgruppen an.
Bei so vielen Vorteilen und erfolgsversprechenden Pilotstudien fragt man sich: Wieso wird das Arbeitsmodell nicht viel flächendeckender umgesetzt und angeboten? An dankbaren „Abnehmern“ fehlt es laut einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Toluna (Süddeutsche Zeitung, März 2020) jedenfalls nicht. Hier ging deutlich hervor, dass mehr als die Hälfte der befragten Arbeitnehmenden in Deutschland sogar auf Lohn verzichten würde, um eine reduzierte Arbeitszeit in Anspruch nehmen zu können. Das in Belgien eingeführte Modell einer flexiblen 4-Tage bzw. 5-Tage-Woche befürworteten laut einer Umfrage von Forsa Anfang 2022 73 Prozent der Befragten (Frankfurter Allgemeine, Februar 2022).
Die 4-Tage-Woche: Nachteile
Natürlich gibt es aber auch Nachteile, die bei nur vier Arbeitstagen pro Woche nicht vernachlässigt werden dürfen.
Weniger Zeit für Kundenkontakt. Bei einer regulären 5-Tage-Woche bleibt mehr Zeit für Kundenkontakt, selbst wenn vier Arbeitstage nicht zwangsläufig weniger Arbeitsstunden bedeuten. Hätten Sie Verständnis dafür, wenn Ihr Internetprovider oder der Heizungsmechaniker Ihres Vertrauens plötzlich nur noch an vier Tagen pro Woche für Sie erreichbar ist?
Weniger Zeit für soziale Interaktion mit Kolleg*innen. Das Gespräch mit der Kollegin an der Kaffeemaschine, die ausgedehnte Mittagspause in der Kantine oder ein Spaziergang mit dem Lieblingskollegen, um den Kopf frei zu kriegen – bei einer 5-Tage-Woche bleibt für all das mehr Zeit. Gute soziale Interaktionen steigern die Stimmung und können so ein Vorteil für das gesamte Arbeitsklima sein.
Möglicherweise weniger Gelassenheit bzw. mehr Stress. Wenn (gute Organisation und Arbeitsstruktur können hier entgegenwirken!) der fehlende Arbeitstag dazu führt, dass Aufgaben nicht erledigt werden können und somit wieder viele Überstunden gemacht werden müssen, führt das zu Überforderung und Stress bei den Mitarbeitenden. Die 5-Tage-Woche kann innerlich für mehr Gelassenheit sorgen, da mehr „Pufferzeit“ vorhanden ist, wenn Dinge nicht sofort gelingen oder wichtige Ansprechpartner*innen nicht erreichbar sind.
Erhöhter Planungsaufwand. Wir kennen das alle durch die in Teilzeit-Arbeitenden. Der Koordinationsaufwand, wann jemand da ist, um bspw. eine gemeinsame Besprechung zu machen, oder um arbeitsteilige Projekte nach vorne zu bringen, erhöht sich deutlich. Bei einer 4-Tage-Woche nimmt dieser nochmals zu, vorausgesetzt, die 4 Tage verteilen sich auf die alle Wochentage und die Vollzeit-Arbeitenden haben die Möglichkeit, an beliebigen Tagen der Woche ihre 4 Tage zu arbeiten.
Praxistipps zur Einführung der 4-Tage-Woche
Falls Sie für Ihr Unternehmen über die Einführung einer 4-Tage-Woche nachdenken, sollten Sie in jedem Fall folgende Tipps beherzigen.
Machen Sie solide Grundlagenarbeit. Entscheidend ist, dass Sie sich zu Beginn überlegen, welches Modell Ihrer 4-Tage-Woche zugrunde gelegt werden soll und warum:
- Eine unveränderte Stundenzahl und der gleiche Lohn bei nur vier Arbeitstagen pro Woche?
- Oder aber eine reduzierte Stundenzahl mit gleichem Lohn und nur vier Arbeitstagen pro Woche?
- Ist der freie Tag immer der Freitag oder können Ihre Mitarbeitenden frei wählen?
- Gehen alle Mitarbeitenden in die 4-Tage-Woche oder entscheiden Arbeitnehmende selbst, ob sie an vier oder fünf Tagen pro Woche arbeiten möchten?
Es gibt zahlreiche Fragen, auf die Sie Antworten finden müssen, bevor Sie in die Umsetzung gehen.
Etablieren Sie ein ergebnisorientiertes Arbeitsmodell. Damit die 4-Tage-Woche erfolgreich funktionieren kann, müssen Sie Mitarbeitenden das Vertrauen entgegenbringen, dass sie ihre Aufgaben erledigen, wie und wann es für sie am besten passt. Ganz wichtig: In einer ergebnisorientierten Arbeitskultur gibt es keinen Platz für Unklarheiten. Es geht um klare Ziele, die innerhalb eines gesetzten Rahmens auf kreative Weise von Mitarbeitenden verfolgt werden sollen.
Passen Sie die Strukturen so an, dass die Arbeit sich nicht zu stark verdichtet. Streichen Sie Aufgaben. Verkürzen Sie Meetings oder ersetzen Sie diese durch E-Mails. Meetings sollen einen klaren Mehrwert bieten und keine Zeitverschwendung sein. Es bietet sich auch an, feste Tage oder Zeiten festzulegen, an denen keine Meetings erlaubt sind oder sich auf eine Zeitbegrenzung zu einigen.
Unser Fazit: Ist die 4-Tage-Woche sinnvoll?
Wie bei den allermeisten Fragen im Leben lässt sich diese Frage niemals pauschal beantworten!
So innovativ und verlockend die 4-Tage-Woche auch klingen mag, sie ist sicherlich nicht für alle Branchen umsetzbar. Produzierende Unternehmen sind einem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzt, wodurch die 4-Tage-Woche einen erheblichen Nachteil darstellen kann. Nur wenn man an vier Tagen das produziert, was man sonst in fünf Tagen macht, ließe sich über den sinnvollen Einsatz einer 4-Tage Woche nachdenken – aber auch dann gibt es weiterhin Konkurrenten, die einen Tag „Vorsprung“ haben. Die Nachteile ließen sich nur dann abmildern, wenn Stellen doppelt (oder dreifach) besetzt werden würden, was dementsprechend wiederum Einstellungs- und Einarbeitungskosten sowie Versicherungsbeiträge in die Höhe treiben würde.
Wir geben auch zu bedenken: Eine Vier-Tage-Woche ist in Branchen, die vom Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel stark betroffen sind, derzeit eher schwierig umsetzbar.
ABER: Die 4-Tage-Woche kann mehr Erholung, eine gesteigerte Gesundheit, eine bessere Work-Life-Balance und eine höhere Produktivität mit sich bringen. Nicht nur aus Kostengründen, sondern vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ist der Vorteil zu beachten, dass Energie eingespart und Ressourcen geschont werden können. Zudem werden viele potenzielle Bewerber*innen angesprochen: In Großbritannien konnte ein Unternehmen aufgrund der Einführung der 4-Tage-Woche innerhalb von 3 Monaten seine Bewerberlage verfünffachen! (MDR Sachsen-Anhalt, Januar 2023). Diese positiven Aspekte sind für uns so überzeugend, dass wir finden: Wir brauchen mehr mutige Unternehmen! Wenn New Work wirklich als „neue Arbeit“ gelebt werden soll, brauchen wir neue Ansätze und Veränderungen, die dem Anspruch der modernen Arbeitnehmerschaft gerecht werden.
Quellen
Four Day Week Global (2022): https://www.4dayweek.com/news-posts/4-day-week-pioneering-pilot-program-a-huge-success-new-research-reveals
Frankfurter Allgemeine (Februar, 2022): https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vier-tage-woche-in-deutschland-mehrheit-fuer-einfuehrung-17818326.html
MDR Sachsen-Anhalt (Januar, 2023): https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/mansfeld/vier-tage-woche-110.html
Süddeutsche Zeitung (März, 2020): https://www.sueddeutsche.de/karriere/arbeit-tipps-fuer-das-arbeitszeitmodell-vier-tage-woche-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200320-99-414810
https://dearwork.de/wie-funktioniert-eigentlich-die-4-tage-woche
https://www.galileo.tv/life/weniger-arbeit-fuer-alle-das-spricht-fuer-und-gegen-eine-4-tage-woche
https://www.tabellarischer-lebenslauf.net/beruf-arbeitsleben/4-tage-woche
Bildquelle Lisa Runnels auf Pixabay