Spätestens der Ukraine-Krieg hat (einmal mehr) schmerzhaft aufgedeckt, dass die meisten Unternehmen nicht unabhängig sind, sondern sich in mehr oder weniger starker Abhängigkeit von ihrem (Lieferanten-) Netzwerk bzw. Ökosystem befinden.
In diesem Beitrag werden wir einen näheren Blick auf dieses System Unternehmen werfen und mögliche Konsequenzen auf das unternehmerische Handeln ableiten. Dabei richten wir zum einen den Blick nach innen und betrachten die Interdependenz der verschiedenen Aufgaben der Unternehmensführung anhand des 7S-Modells und zum anderen richten wir den Blick nach außen mit der Untersuchung der Interdependenz des Unternehmens mit den anderen Akteuren in der Region und im Netzwerk.
Die 7 Treiber des Unternehmenserfolgs
Unter anderem durch das 7S Modell von Peters/Waterman von 1992 wurde die wechselseitige Verbindung der verschiedenen Aspekte von Unternehmensführung in einem leicht verständlichen Modell verdeutlicht. Bei der Untersuchung der damals 50 erfolgreichsten US-Firmen hat man sieben wesentliche Treiber für den Erfolg identifiziert. Diese sind mit dem sogenannten 7S Modell in die Literatur und Beratungspraxis eingegangen.
Das ursprüngliche Modell umfasst die Aspekte Struktur, Strategie, Systeme, Shared Values (Werte), Skills (Kompetenzen), Staff (Mitarbeiter) und (Führungs-)Stil. Um die Merkbarkeit des Modells zu erhöhen, hat man im Englischen jeden der sieben Aspekte mit dem gleichen Buschstaben S beginnen lassen. Daher der Name 7S.
Dieses Modell haben wir auf der strategischen Seite noch um die Aspekte Vision und Mission ergänzt, um auch die langfristige und intentionale Dimension (Purpose) der Unternehmensführung zu berücksichtigen.
Ein wesentlicher Vorteil dieses Modells ist die Darstellung der verschiedenen Aspekte der Unternehmensführung in ihrer Wechselbeziehung. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass ein Unternehmen ein System bzw. ein Organismus ist, dessen verschiedenen Elemente in enger Wechselbeziehung zueinanderstehen. Das heißt, wenn man etwa eine Änderung der Strategie vornimmt, hat das sogleich Auswirkungen auf alle anderen Aspekte des Unternehmens.
Allerdings findet diese Erkenntnis wegen der meist üblichen Arbeitsteilung häufig keinen Niederschlag in der Organisation von größeren Unternehmen. Zur Verdeutlichung haben wir die verschiedenen Elemente in unterschiedliche Felder aufgeteilt (farblich markiert).
Dabei werden meist die (grünen) Elemente Skills (Kompetenzen), Staff (Mitarbeiter) und Stil zusammen mit den Shared Values (Kultur) zur Personalentwicklung gezählt. Die (blauen) Elemente Struktur, Strategie und Systeme mit der Kultur zur Organisationsentwickung und die (roten) Elemente Vision, Mission, Strategie und Kultur zur Unternehmensentwicklung.
Allerdings werden diese verschiedenen Bereiche meist von unterschiedlichen Abteilungen (Funktionen) in einem Konzern bearbeitet. Wenn diese sich nicht sehr eng miteinander abstimmen, findet der immanente Charakter der Wechselbeziehung aller Elemente bei den Entscheidungen in den Einzelbereichen nicht den notwendigen Niederschlag.
Als Resultat haben wir suboptimierte Einzel-Strategien aber keine kohärente Unternehmensstrategie. Es besteht die Gefahr der Fragmentierung im Inneren eines Unternehmens.
Regionale Ökosysteme
Wenn wir nun den Blick aus einer systemischen Vogelperspektive über das Unternehmen hinaus auf das direkte und weitere Umfeld richten, sehen wir das gleiche Phänomen. Das Unternehmen ist oft Teil einer weltweiten Arbeitsteilung und folglich sehr eng mit all den anderen Akteuren in der Region, der Branche und dem globalen Wertschöpfungsnetzwerk verbunden.
In diesem Beitrag ist uns die internationale Zugehörigkeit des Unternehmens zu seinem Wertschöpfungsnetzwerk bewusst, wir wollen uns hier aber auf die Betrachtung der Beziehung zum regionalen Umfeld beschränken, in dem es seinen Standort hat.
Hier wird etwa die Versorgung durch die örtlichen Ver- und Entsorgungsbetriebe organisiert, hier wohnen die meisten Mitarbeiter und Auszubildenden, bei produzierenden Unternehmen werden die Emissionen in die regionale Umwelt ausgestoßen, Handwerker kommen meist aus dem näheren Umfeld und Restaurants und Hotels profitieren zusammen mit ihren Zulieferern meist stark von dem Unternehmensstandort.
Die positive Auswirkung einer solchen engen Verbundenheit kann man derzeit in der Region um Magdeburg beobachten. Hier hat Intel entschieden, einen seiner europäischen Produktionsstandorte aufzubauen. Für die auf 17 Mrd. Euro geschätzte Investition soll Intel 5 Mrd. Euro vom Staat als Subvention erhalten. Dafür werden ab 2027 ca. 3.000 dauerhafte und 7.000 temporäre Arbeitsplätze erwartet. Zusätzlich wird etwa die Zulieferindustrie, Hotel und Gaststätten, Wohnungswirtschaft, Handel, Freizeiteinrichtungen, Universität und Forschungseinrichtungen und viele mehr von dieser Investition profitieren, da diese das regionale Ökosystem als Ankerinvestor befruchten wird.
Wenn wir nun aufgrund dieser Beschreibung erkennen, wie sehr unser Unternehmen mit den anderen Unternehmen und Stakeholdern in der Region verbunden ist, können wir wie im 7S Modell schlussfolgern, dass die jeweiligen Unternehmensentscheidungen auch eine Auswirkung auf die anderen Akteure haben werden.
Demzufolge bedeutet nachhaltiges Handeln auch die jeweils anderen mit in das Kalkül einzubeziehen, damit die Überlebensfähigkeit des Ökosystems als Ganzem nicht gefährdet wird. Diese Gedanken sind im Übrigen nicht neu, sondern haben bei der Bildung von vertikalen und horizontalen Unternehmensverbünden in Japan, den sogenannten „keiretsu“, eine lange Tradition.
Dieses erweiterte Unternehmensverständnis ist für die meisten westlichen Unternehmenslenker*innen noch eher unbekannt. Es hilft jedoch, die von uns selbst erzeugte, lediglich gedachte, Trennung der Akteure in einer Region bzw. einem Ökosystem zu überwinden und in Gesamtsystemen zu denken.
In diesem Lichte kann man auch die Vorschriften des Lieferkettengesetzes betrachten, bei dem es sich beim Bezugsraum nicht um ein regionales, sondern um ein globales Ökosystem handelt. Wenn wir in diesem Zusammenhang die Wechselwirkungen zwischen den Arbeits- und Umweltbedingungen in den Zulieferländern einerseits und unserem Wohlstand im Westen andererseits erkennen, können wir nachhaltige Entscheidungen treffen, die langfristig auch den Wohlstand auf der ganzen Welt steigern und damit vermutlich zu einem friedlicheren Zusammenleben führen werden.
Wie lässt sich diese Erkenntnis auf mein Unternehmen übertragen?
Eine kleine Übung, die Ihnen dabei nützlich sein kann, sich mit dem Ökosystem des eigenen Unternehmens zu beschäftigen:
1. Listen Sie sämtliche relevanten externen Stakeholder Ihres Unternehmens in der Region auf.
2. Wählen Sie aus diesen Stakeholdern 3 aus, mit denen Sie in nächster Zeit einmal in einen näheren Austausch gehen wollen, um potenziell gemeinsame Interessen auszuloten.
Quellen:
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