Wieso heilig? Auch in einer schnelllebigen Zeit lohnt es sich, ab und zu inne zu halten und über den Ursprung von Begriffen nachzudenken.
Erst wenn wir unsere eigenen Begriffe begriffen haben, verstehen wir, was wir tatsächlich denken und eigentlich sagen wollen. Mit Sprache denken und kommunizieren wir. Dadurch sind wir miteinander in Beziehung. Kommunikation hat ja nicht von ungefähr die gleiche Wurzel wie Community, also Gemeinschaft.
So ist es auch mit dem Begriff „heilig“. Das Wort hat seinen Ursprung in heil, was so viel bedeutet wie „ganz“ und „gesund“. Heilung und heilig haben also beide den gleichen Wortursprung. Das bedeutet eine Organisation ist dann heil bzw. heilig, wenn sie gesund und ganz ist. Ein interessanter Befund.
Ganzheitlichkeit im Team
Schauen wir uns dieses Phänomen zunächst mal im Kleinen an, in Teams.
Eine ursprünglich ganzheitliche Aufgabe hat man im Zuge der Arbeitsteilung in Management- Arbeit und in ausführende Arbeit aufgeteilt. Dies wird anhand des PDCA Zirkels von Deming verdeutlicht. Hatte man vor der Arbeitsteilung die gesamte Aufgabe selbst zu erledigen, also Planung (Plan) und Ausführung (Do) sowie Kontrolle (Check) und Korrektur (Act), und konnte die eigene Planung selbst anhand der Ausführungsergebnisse überprüfen und somit bei jedem Schritt aus den Ergebnissen lernen, hat man sich um diese Chance durch die Arbeitsteilung gebracht.
Unterschiedliche Menschen bearbeiten Teilaufgaben. (Management plant und kontrolliert und wiederum andere führen aus und korrigieren).
Oftmals wissen diese gar nicht, warum etwas geändert werden muss und tun dies dann mit wenig Hingebung und Sorgfalt, da sie keinerlei Beziehung zu der Korrektur haben. Und auch das Management lernt nicht hinzu, da es selbst nicht ausführt und folglich nicht selbst die Konsequenz der eigenen bisweilen unzulänglichen Planung tragen muss.
Genau diesen unterbrochenen Lernzirkel stellt man durch agile Teams wieder her. Die täglichen Meetings (Dailies) und Reflektionen der erledigten Arbeit mit dem Auftraggeber (Retros) helfen dabei, den eigen Arbeitsprozess Stück für Stück zu verbessern, da man selbst plant und auch ausführt und somit sofort die Auswirkungen persönlich erfährt.
Insofern ist die Hinwendung zur agilen Arbeitsweise ein Schritt hin zum ganzheitlichen (heiligen) Unternehmen. Ganz nebenbei steigt in solchen Teams auch die Arbeitszufriedenheit und sinkt die Krankenquote, was sowohl den Unternehmen als auch der Gesellschaft insgesamt zugutekommt.
Das ganze gesunde Unternehmen
Das gleiche Phänomen kann man auch auf der Ebene des gesamten Unternehmens beobachten.
Die Spezialisierung unterschiedlicher Funktionen hat im Laufe der Zeit zu erheblichen Effizienzgewinnen geführt. In der Aufbauorganisation zeigt sich das zunächst in der Funktionalorganisation, also der Bündelung von spezialisierten Kompetenzen etwa für Einkauf, Produktion und Vertrieb sowie Personal und Controlling.
Je nach Größe und Branche des Unternehmens gibt es darüber hinaus auch die Divisional- bzw. Matrixorganisation, alles Versuche durch eine gewisse Spezialisierung Effizienzvorteile zu erzielen. Spezialisierung benötigt als Voraussetzung eine gewisse Stabilität im Umfeld, in der sie noch wirksam sein kann. Ändern sich die Umfeldbedingungen jedoch sehr schnell, werden die Spezialisierungseffekte der Funktionalisierung durch den erhöhten Koordinationsaufwand zwischen den Funktionen verzehrt und es kommt zu Dysfunktionalitäten. Die gewünschte Effizienz gibt es dann nicht mehr.
Diese Effekte kann man abmildern, indem man die Interdependenz der einzelnen Funktionen erkennt und durch überlappende Teams die Koordination der gesamten Unternehmensaufgabe strukturell verankert.
Ein praktisch erprobter Kompromiss aus beiden Welten besteht darin, nahe am Kunden ganzheitliche Teams zu etablieren, die alle kundenspezifischen Anforderungen selbst entscheiden können (z.B. Key Account Management, „Kundenkreise“ in der kollegialen Führung), Aufgaben, die weiter weg vom Kunden anfallen, bleibt eine gewisse Spezialisierung erhalten (z.B. IT-Rechenzentrum oder Zentraleinkauf).
Von einer gesunden Organisation kann man sprechen, wenn die verschiedenen organisatorischen Elemente einer Organisation in einer ausgewogenen Balance aufeinander abgestimmt sind und sie dadurch ihr Optimum an Wirksamkeit entfalten.
Die Abbildung zeigt zwei aufeinander abgestimmte Dreiecke, die sich gegenseitig stärken und in einem dynamischen Gleichgewicht gehalten werden müssen. Das dunkelblaue Dreieck besteht aus den klassischen Elementen Strategie, Struktur und Kultur und das andere, hellblaue, aus den dieses Konstrukt lebendig machenden Elementen Prozesse, Beziehungen und Menschen.
Das ständige interne Balancieren und Anpassen auf die äußeren Marktveränderungen und Erfordernisse ist wesentlicher Teil der eigentlichen Führungsaufgabe in Unternehmen.
Die Balance zu halten zwischen den einzelnen Waben, – das zentrale Konzept der Balancierten Führung in der Gesunden Organisation ist anspruchsvoll und komplex. Wer sich zu sehr auf einzelne Bereiche fokussiert, z. B. bei der Prozessoptimierung die strukturelle Seite und die Kultur aus den Augen verliert gerät ins Wanken.
Um zu erkennen, wann man selbst oder die Organisation aus dem Gleichgewicht gerät, ist Selbstreflexion, Achtsamkeit, Perspektivenwechsel und systemisches Denken hilfreich.
Einladung zur Reflexion
Wo identifizieren Sie in Ihrem Unternehmen Prozesse, die getrennt und fragmentiert sind? Welches Potential für systematisches Lernen und Verbesserungen geht Ihnen dadurch verloren?
Nehmen Sie sich eine Woche lang jeden Abend 5 Minuten Zeit, um über Ihre berufliche Tätigkeit zu reflektieren. Wenn das etwas gebracht hat, können Sie das auch mit Ihren engsten Kollegen und Kolleginnen wiederholen. Sie werden sehen, wie Sie ein immer tieferes Verständnis Ihres Unternehmens bekommen.
Versetzten Sie sich in die Lage Ihrer Kunden und schauen von außen auf Ihr eigenes Unternehmen. Wo vermissen Sie noch Ganzheitlichkeit – oder wo sind Sie noch nicht heilig?
Quellen:
Photo by Nathan Dumlao on Unsplash